Deutsche zoffen sich um Ein-Freund-Regel von Merkel
Ein Vorschlag von Angela Merkel sorgt für Empörung: Sie will, dass sich auch Kinder in der Freizeit nur noch mit einem Freund oder einer Freundin treffen.

Das Wichtigste in Kürze
- Angela Merkel erntet mit ihrer Ein-Freund-Regel viel Kritik.
- Erwachsene und Kinder dürften nur noch Personen aus einem weiteren Haushalt treffen.
- Ärzte und Psychologen kritisieren den Vorschlag besonders wegen den Kindern scharf.
Grosse Empörung in Deutschland über einen Vorschlag von Angela Merkel. Die Bundesregierung plant derzeit weitere Massnahmen im Kampf gegen die hohen Corona-Fallzahlen.
Dabei soll die Bundeskanzlerin am Montag in einer Videokonferenz mit den Regierungschefs der Länder die Einführung einer Ein-Freund-Regel vorgeschlagen haben, berichten deutsche Medien. Erwachsene wie auch Kinder und Jugendliche sollen nur noch Menschen aus einem weiteren Haushalt treffen.
Dass Kinder dieser Regel zufolge in ihrer Freizeit nur noch mit einem weiteren Kind zum Spielen abmachen dürften, stösst auf Unverständnis. Vor allem, da sie in vollen Klassenzimmern unterrichtet werden und die Abstände zu den Mitschülern ohnehin nicht eingehalten werden könnten.

Nicht nur die betroffenen Eltern sind von Merkels Vorschlag wenig begeistert. Auch Politiker, Ärzte und Psychologen äussern Kritik.
«Tiefgreifende Beziehungsverunsicherung»
Michael Schulte-Markwort, Professor für Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, meint gegenüber der «Zeit»: «Es bleiben immer Kinder übrig, die keiner als einzigen Freund ausgewählt hat. Oder ein Kind findet nur noch ein anderes Kind, mit dem es vielleicht nicht so gut auskommt.» Dies könne «zu einer tiefgreifenden Beziehungsverunsicherung führen».

Ausserdem werden mit der Ein-Freund-Regel die sozialen Kontakte aller Kinder gleichermassen eingeschränkt, ungeachtet ihrer Altersgruppen. Im Gespräch mit «Bild» meint Kinderarzt Martin Karsten jedoch, dass Kinder unter zehn Jahren ein sehr tiefes Infektionsrisiko haben. Die harte Massnahme der Ein-Freund-Regel mache somit für diese Altersgruppe wenig Sinn.
Merkel erntet auch Kritik aus den eigenen Reihen. Der stellvertretende CDU/CSU-Bundestagsfraktions-Vorsitzende Thorsten Frei meinte gegenüber «Bild»: «Bei Kindern und Familie muss das auch immer was zu tun haben mit der Lebenswirklichkeit. Die Menschen müssen verstehen, was wir von ihnen wollen.»
Andrew Ullmann, Medizin-Professor und FDP-Gesundheitsexperte, bezeichnete den Vorschlag im Gespräch mit «Bild» gar als «lebensfremd». Da Kinder in Gruppen spielen, komme es vielmehr darauf an, dass diese konstant seien.
Länder lehnen Merkels Vorschlag ab
Schlussendlich wird der umstrittene Vorschlag nicht im Beschluss erwähnt. Konkret vereinbarten die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder, dass die Bürgerinnen und Bürger «private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten auf einen festen weiteren Hausstand beschränken» sollen.
Diese Reduzierung von privaten Kontakten «schliesst auch Kinder und Jugendliche in den Familien mit ein». Die Ein-Freund-Regel für Kinder ist jedoch noch nicht endgültig vom Tisch.