Bundesregierung mahnt Türkei zu Rechtsstaatlichkeit in Prozess gegen Yücel
Nach Bekanntwerden des Strafantrags im türkischen Prozess gegen den Journalisten Deniz Yücel hat die Bundesregierung die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen angemahnt.

Das Wichtigste in Kürze
- Sprecher: Substanz und Verhältnismässigkeit der Vorwürfe scheinen «fraglich».
Die Regierung fordere ein «zügiges und rechtsstaatliches Verfahren», sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Freitag in Berlin. Beim Prozess gegen den «Welt»-Journalisten handele es sich um einen Fall, in dem «die Substanz der Vorwürfe beziehungsweise die Verhältnismässigkeit fraglich scheinen und das Verfahren sich sehr lange hinzieht».
Die Bundesregierung sei weiterhin mit der türkischen Seite im Gespräch über den Fall. «Da werden wir nicht nachlassen», sagte der Aussenamtssprecher. Der Fall hatte das deutsch-türkische Verhältnis massiv belastet.
Die Staatsanwaltschaft in Istanbul hatte gegen Yücel eine Haftstrafe zwischen vier Jahren und drei Monaten und 15 Jahren und drei Monaten wegen «Volksverhetzung» und «Terrorpropaganda» gefordert. Dies berichteten türkische Medien am Donnerstag. Demnach findet die nächste Verhandlung am 2. April statt.
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), sagte der Nachrichtenagentur AFP: «Der Prozess gegen Deniz Yücel entlarvt den türkischen Rechtsstaat als Farce.» Es sei «ein fatales Zeichen, dass die Staatsanwaltschaft sich mit dieser unverhältnismässigen Forderung als langer Arm Erdogans betätigt.»
Yücel war am 14. Februar 2017 wegen seiner Artikel in der Türkei festgenommen worden. Der Haftrichter stützte sich unter anderem auf ein Interview Yücels mit einem Anführer der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Cemal Bayik. Erst nach einem Jahr wurde Yücel freigelassen und konnte die Türkei verlassen. Sein Prozess begann in seiner Abwesenheit Ende Juni 2018.
Im Juni 2019 hatte das türkische Verfassungsgericht Yücels Inhaftierung für rechtswidrig erklärt. Sie habe das «Recht auf persönliche Sicherheit und Freiheit sowie das Recht auf Meinungsfreiheit» verletzt, urteilten die Richter damals einstimmig. Yücels Anwalt forderte daraufhin einen Freispruch seines Mandanten. Diesem Antrag folgte das Gericht aber nicht.