Aufrechter Gang könnte sich in Europa entwickelt haben
Der aufrechte Gang des heutigen Menschen soll sich nach laut einer Forschergruppe in Europa und nicht wie bislang angenommen in Afrika entwickelt haben.

Das Wichtigste in Kürze
- Der aufrechte Gang des Menschen hat sich in Europa und nicht wie in Afrika entwickelt.
- Dies vermutet ein internationales Forscherteam in einer neuen Studie.
Es sind nur wenige Knochen aus einem Bach im Unterallgäu (D), doch für die Wissenschaft könnten sie eine Sensation bedeuten.
Der neu entdeckte mögliche Vorfahr von Mensch und Menschenaffe habe sich bereits vor fast zwölf Millionen Jahren aufrecht fortbewegen können. Das vermutet ein Forschungsteam um Madelaine Böhme von der Universität Tübingen und des Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment. Sie veröffentlichten eine Studie im Fachmagazin «Nature». Das wäre mehrere Millionen Jahre früher als Wissenschaftler bislang zumeist angenommen hatten.
Aufrechter Gang in Europa entwickelt
«Das ist eine Sternstunde der Paläoanthropologie und ein Paradigmenwechsel», sagte Böhme der Nachrichtenagentur dpa. Die Funde stellten die bisherige Sichtweise auf die Evolution der grossen Menschenaffen und des Menschen grundlegend in Frage. «Dass sich der Prozess des aufrechten Gangs in Europa vollzog, erschüttert die Grundfeste der Paläoanthropologie», sagte Böhme. Sie hält es für «nahezu ausgeschlossen», dass in Afrika noch ältere aufrecht gehende Menschenaffenformen existierten.

Das Team hatte zwischen 2015 und 2018 in einem Bachlauf die versteinerten Fossilien einer bislang unbekannten Primatenart entdeckt. Der sogenannte Danuvius guggenmosi habe vor 11,62 Millionen Jahren gelebt. Er habe sich wahrscheinlich sowohl auf zwei Beinen als auch kletternd fortbewegt.
Erster Menschenaffe mit aufrechtem Gang
«Bislang war der aufrechte Gang ein ausschliessliches Merkmal von Menschen. Aber Danuvius war ein Menschenaffe», sagte Böhme. Die bislang ältesten Belege für den aufrechten Gang sind rund sechs Millionen Jahre alt. Sie stammen von der Insel Kreta und aus Kenia.

Aus der Tongrube im Ostallgäu bargen die Paläontologen 37 Einzelfunde. Darunter waren vollständig erhaltene Arm- und Beinknochen, Wirbel, Finger- und Zehenknochen. Das macht insgesamt 15 Prozent eines Skeletts aus.
«Damit liess sich rekonstruieren, wie sich Danuvius fortbewegte», sagte Böhme. «Zum ersten Mal konnten wir mehrere funktionell wichtige Gelenke – darunter Ellbogen, Hüfte, Knie und Sprunggelenk – in einem einzigen fossilen Skelett dieses Alters untersuchen.» Das erklärte die Professorin weiter. «Zu unserem Erstaunen ähnelten einige Knochen mehr dem Menschen als dem Menschenaffen.»