Für seine Aussage nach dem Bootsunglück in Süditalien wird Italiens Innenminister Matteo Piantedosi kritisiert. Die Opposition fordert nun seinen Rücktritt.
Gerettete Flüchtlinge nach dem Bootsunglück in Italien
Gerettete Flüchtlinge nach dem Bootsunglück in Italien - ANSA/AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das Bootsunglück in Süditalien hat inzwischen 67 Todesopfer gefordert.
  • Für seine Aussage wird Italiens Innenminister Matteo Piantedosi stark kritisiert.
  • Jetzt fordert die Opposition seinen Rücktritt.

Auch Tage nach dem Bootsunglück in Süditalien finden die Rettungsmannschaft weiterhin Leichen von Migranten und Flüchtlingen im Wasser und am Strand. Am Mittwochmorgen wurde der Körper eines Mädchens und damit das 67. Todesopfer geborgen, wie ein Kommandant der Carabinieri auf Anfrage mitteilte.

Am Sonntag war ein überfülltes Holzboot mit mehr als 140 Flüchtlingen und Migranten bei hohem Seegang im Mittelmeer an einem Felsen zerbrochen. Unter den Opfern waren auch Kinder.

In einer Turnhalle der Stadt Crotone wurden die Särge mit den sterblichen Überresten aufgestellt. Angehörige reisten aus mehreren europäischen Ländern an, um zusammen mit einigen der rund 80 Überlebenden des Unglücks die Toten zu identifizieren. Auf einen weissen Kindersarg legten die Helfer ein blaues Spielzeugauto. Immer wieder brachen Hinterbliebene in Tränen aus, andere beteten.

Suche nach weiteren Opfern läuft

Die Einsatzkräfte suchten weiter nach Opfern. Wie viele Menschen genau auf dem Holzboot waren, als dieses am vorigen Donnerstag in Izmir in der Türkei ablegte, war am Mittwoch weiter unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen vier mutmassliche Schlepper, wie Italiens Innenminister Matteo Piantedosi in einem Parlamentsausschuss in Rom verkündete. Wegen Aussagen nach dem Bootsunglück geriet er heftig in die Kritik, die Opposition forderte seinen Rücktritt.

Der parteilose Innenminister der rechten Regierung von Giorgia Meloni hatte jüngst gesagt, die Verzweiflung von Eltern könne gar nicht so gross sein, um ihre Kinder in ein derartiges Boot zu setzen. Kritiker fanden, die Aussage sei zynisch angesichts der Tatsache, dass die Opfer etwa aus Afghanistan oder Syrien stammten und damit vor einem Bürgerkrieg oder dem Regime der Taliban flöhen. Zum Zeitpunkt der Einschiffung befanden sie sich allerdings schon in der Türkei.

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Rettungskräfte im Einsatz am Strand in der Nähe von Cutro, Süditalien. - Giuseppe Pipita/AP/dpa

Zivile Seenotretter und andere Staaten kritisierten Piantedosi und Meloni zuletzt heftig für strenge Regeln gegen Hilfsorganisationen im Mittelmeer. Die meisten Bootsmigranten erreichen Italien aber nicht mit Schiffen der NGOs, sondern auf eigene Faust in Booten. Oft kommen ihnen die Küstenwache oder Polizei kurz vor dem Ziel zu Hilfe. Warum dies in der Nacht von Samstag auf Sonntag nicht klappte, darüber debattiert Italien. «Niemand wollte sie retten», titelte die Zeitung «La Repubblica» am Mittwoch. «Sie haben sie sterben lassen.»

Ermittlungen wegen Rettungsabläufen

Laut einer Rekonstruktion der Ereignisse sichtete ein Flugzeug der europäischen Grenzschutzagentur Frontex das Boot am Samstagabend rund 40 Seemeilen vor der Küste. Dies wurde auch nach Rom gemeldet. Allerdings habe der Flieger keine Notlage signalisiert, sagte Piantedosi. Wie aus Medienrecherchen hervorgeht, vermutete Frontex aber, dass sich viele Menschen im Inneren des Kutters befanden.

Die Finanzpolizei suchte mit zwei Schiffen, fand das Boot aber nicht. Erst am frühen Morgen ging ein Notruf von dem Boot ein, woraufhin Carabinieri und Küstenwache ausrückten. Bei deren Ankunft war das Holzboot aber schon gesunken. Über die Abläufe der Rettung laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Trotz des Unglücks legen weiterhin täglich Boote mit Flüchtlingen ab. Am Mittwoch starben zwei Migranten vor der griechischen Insel Kos, als ihr Boot sank. 24 Menschen wurden gerettet. Sie waren eigenen Angaben zufolge von der türkischen Ägäisküste gestartet.

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