Am 16. Januar 1969 verbrannte sich ein junger tschechoslowakischer Student aus Protest gegen die sowjetische Besatzung seines Landes selbst.
Die Aufnahme zeigt den Trauerzug für Jan Palach in der Prager Altstadt
Die Aufnahme zeigt den Trauerzug für Jan Palach bei seiner Beerdigung in der Prager Altstadt. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Jan Palach gilt bis heute als nationaler Märtyrer.
  • Er hatte sich im Protest gegen die sowjetische Besetzung selbst verbrannt.

Das Kreuz ist in den Bürgersteig auf dem Prager Wenzelsplatz eingelassen. Es wölbt sich wie eine leichte Welle. Die meisten Touristen gehen achtlos an ihm vorbei. Doch es ist der Ort einer Verzweiflungstat, die bis heute in der tschechischen Gesellschaft nachwirkt. Wenige Meter von hier übergoss sich vor 50 Jahren, am 16. Januar 1969, der 20 Jahre alte Student Jan Palach mit Benzin und zündete sich an. Drei Tage später starb er nach unvorstellbaren Schmerzen in einem Krankenhaus.

Mit seiner Tat protestierte Palach gegen die Niederschlagung der Demokratiebewegung Prager Frühling. Truppen des Warschauer Pakts hatten die Tschechoslowakei nur wenige Monate zuvor, im August 1968, besetzt. In einer Aktentasche hinterliess Palach einen Abschiedsbrief. Er wolle «die Menschen dieses Landes aufrütteln», das sich am Rande der Hoffnungslosigkeit befinde. Und er forderte die sofortige Aufhebung der staatlichen Zensur. Die Orientierung des Bronzekreuzes vor dem Nationalmuseum gibt an, in welche Richtung Palach, der sich selbst als «Fackel Nummer eins» bezeichnete, zu Boden stürzte.

jan palach
Das undatierte Passfoto zeigt den tschechischen Philosophiestudenten Jan Palach. - dpa

Mit jedem Tag wuchs die Sorge, dass weitere «lebende Fackeln» sterben würden. Der Schriftsteller und Bürgerrechtler Vaclav Havel (1936-2011) wandte sich mit einem Appell im Fernsehen an seine Mitbürger. «Den Tod von Jan Palach begreife ich als Warnung vor dem moralischen Selbstmord von uns allen», sagte der spätere Nachwendepräsident. Er betonte: «Es ist eine Chance, die uns, den Lebenden, gegeben wurde.»

Viele in der Tschechoslowakei sahen in Jan Palach einen neuzeitlichen Jan Hus. Der Kirchenreformer aus Böhmen war im Jahr 1415 beim Konzil der katholischen Kirche in Konstanz als Ketzer zum Tode verurteilt worden. Tatsächlich sagte Palach, dessen Haut zu 85 Prozent verbrannt war, einer Psychologin kurz vor seinem Tod: «Ich habe Schmerzen, aber Hus ist auch auf dem Scheiterhaufen gestorben.» Bei der Beerdigung Palachs verzierte ein Kelch, das Zeichen der Hussitenbewegung, den Sarg.

gedenkfeier palach
Vertreter des zentralen Prager Bezirks legen Blumen ab an zwei Buckeln im Pflaster eines Bürgersteigs, verbunden durch ein Bronzekreuz, auf dem oberen Teil des Wenzelsplatzes. - dpa

Keine der Forderungen Palachs wurde erfüllt. Die Zensur ging weiter. In der Zeit der «Normalisierung» der Verhältnisse in den 1970er und 80er Jahren zogen sich die Menschen ins Private zurück. Doch einen Nachhall fand die Tat im Januar 1989, als Dissidenten zum 20. Todestag zu einer «Palach-Woche» mit Kranzniederlegungen und Kundgebungen aufriefen. Viele Historiker sehen darin heute einen Vorläufer der späteren Massendemonstrationen, die im November 1989 die Samtene Revolution, die demokratische Wende, einleiteten.

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