Coronavirus: UV-Desinfektion für die Hosentasche ist pure Abzocke
Das Wichtigste in Kürze
- Desinfektionsmittel sind derzeit fester Bestandteil unseres Alltags.
- Als Alternative zu chemischen Verfahren bieten diverse Händler billige UV-Gadgets.
- Deren Strahlung tötet angeblich Keime ab – alles erstunken und erlogen, so ein Experte.
Der Lockdown ist schon fast Geschichte. Das Coronavirus wird den Alltag jedoch noch länger prägen.
Neben Verhaltensregeln wie Social Distancing ist regelmässiges Händewaschen und Desinfizieren angesagt. Letzteres geschieht meist mittels chemischer Lösungen. Doch auch nicht-chemische Produkte erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit.
So zum Beispiel die Desinfektion mittels UVC-Strahlen. In der Industrie – etwa bei der Wasseraufbereitung oder Reinigung in Spitälern – ist dies schon länger Standard. Nun mehren sich Angebote zu UVC-Desinfektionsgeräten für die Hosentasche vson Privatanwendern.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit solchen Gadgets sammeln können?
Obige UVC-Lampe etwa soll die Desinfektion in den eigenen vier Wänden vereinfachen. Kostenpunkt: 60 Franken – günstiger als der regelmässige Einkauf von Desinfektionsmitteln.
Noch viel verlockender: der Taschen-Sterilisator fürs Smartphone. In die Lade-Buchse des Handys gesteckt, strahlt dieser angeblich einen Viren vernichtenden Strahl aus. Und dies für unschlagbare 30 Franken.
«Eine Frechheit!», sagt Uwe Simml, Geschäftsführer der auf UVC-Desinfektion und Vernebelung spezialisierten Simml GmbH aus dem Thurgau gegenüber Nau.ch.
Hin und wieder teste er solche UV-Gadgets. Fast immer sei der gemessene Wert wirksamer UV-Strahlen gleich null.
Das sei naheliegend, denn «würden solche Geräte funktionieren, wären sie gefährlich!» Der seit 2004 in diesem Gebiet tätige Fachmann führt aus: «Gegen Viren wirksame UV-Strahlen sind sehr gefährlich. Sie schädigen die Haut und Netzhaut.»
Bei den vermeintlich günstigen Helferlein im Corona-Alltag handelt es sich also um pure Abzocke. Trotzdem: Namhafte News-Seiten, wie etwa die «New York Post», geben sich in Berichten geradezu schwärmerisch.
UV-Desinfektion nicht für den Endverbraucher
Gibt es denn teurere Gadgets, die dem Privatanwender etwas bringen? Sofern diese existieren, rät Simml von deren Verwendung ab. UV-Entkeimungen seien teils komplexe Projekte – eine Beratung durch den Fachmann ist zwingend. Zum Personenschutz müssten zudem klare Schutzmassnahmen getroffen werden.
Stark erhöhte Nachfrage
Reinigungs- und Desinfektions-Firmen wie die Simml GmbH verzeichnen eine massiv erhöhte Nachfrage. Auch dubiose chinesische Firmen versuchen ihr Glück. Simml habe kürzlich die Anfrage eines solchen Unternehmens erhalten.
Dabei ging es um eine Tischlampe, die angeblich ganze Räume ausleuchtet und damit desinfiziert. Auch hier ist der Experte alarmiert.
Wer Alltagsgegenstände desinfizieren möchte, greift also besser zu einem handelsüblichen Desinfektionsmittel.
Anmerkung: In der Praxis wird zwischen Desinfektion (Keimreduzierung) und Sterilisation (vollständige Keim-Auslöschung) unterschieden. Einfachheitshalber wählten wir in diesem Artikel «Desinfektion» als Oberbegriff.