1949 hat der damalige Vorsitzende Mao Zedong die Volksrepublik China ausgerufen. 75 Jahre später regieren die Kommunisten immer noch.
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Eine chinesische Flagge flattert im Wind. - picture alliance / Oliver Berg/dpa

Der meterhohe traditionelle Blumenkorb prangt schon seit Tagen auf dem Platz des Himmlischen Friedens. «Alle feiern zusammen 1949–2024», ist in gelben Lettern auf der gigantischen roten Installation mit ihren farbenprächtigen Blüten zu lesen. Alles stand bereit, damit die Soldaten an diesem Dienstag zum Nationalfeiertag in perfektem Gleichschritt Chinas Fahne auf den berühmten Platz in Peking tragen konnten. 1949 hat der damalige Vorsitzende Mao Zedong hier die Volksrepublik ausgerufen. 75 Jahre später regieren die Kommunisten immer noch, und Staats- und Parteichef Xi Jinping hat die Partei und das Land fest im Griff.

Doch hinter der Fassade bröckelt es. Chinas Wirtschaft schwächelt wie lange nicht. Die drängendste Frage ist, wie Peking das Ruder herumreissen will. Denn die jahrzehntelange Vereinbarung zwischen Volk und Partei, im Austausch für wirtschaftliche Chancen eingeschränkte politische Freiheit hinzunehmen, soll nicht gebrochen werden. Xis Politik der vergangenen zehn Jahre habe trotz Fortschritten für Industrie und Innovation auch einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung, angeschlagene öffentliche Kassen und zunehmende Konfrontation mit dem Westen mit sich gebracht, sagt die Leiterin für Politik und Gesellschaft vom Berliner China-Forschungsinstitut Merics, Katja Drinhausen.

Peking trifft bereits hastig Entscheidungen, um die Konsumflaute, Immobilienkrise und Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, die viele Menschen und Firmen in dem Land mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern in einen Abwärtsstrudel ziehen. «Die chinesische Wirtschaft befindet sich in einer Übergangsphase, in der sich die Bedeutung des Immobiliensektors verringert und Innovation sowie Industrie zum neuen Kern des Wirtschaftsmodells werden», sagt Merics-Chefökonom Max J. Zenglein. Zu Chinas Problemen gesellen sich ausserdem Unsicherheiten im Ausland, die Pekings zukünftigen politischen Kurs beeinflussen werden.

Die US-Wahl

Die Vereinigten Staaten, Chinas grösster Rivale, wählen bald die Nachfolge von Präsident Joe Biden. Peking verfolgt den Wahlkampf minuziös. Es lässt sich jedoch nicht in die Karten blicken, ob es den Republikaner Donald Trump oder die Demokratin Kamala Harris bevorzugen würde. China mische sich nicht in interne Angelegenheiten anderer Staaten ein, wiederholen die Aussenamtssprecher gebetsmühlenartig auf Journalistenfragen zur US-Wahl.

Trump und China kennen sich zumindest schon aus der ersten Amtszeit des Republikaners. Washington verschärfte damals seine Zoll-Politik gegen die Volksrepublik. Trump drohte im Wahlkampf bereits weitere Zölle an. Harris umschiffte das Thema China bislang. Sollte sie Bidens Kurs fortsetzen, wäre sie für Peking nicht zwingend eine Alternative. Auch Biden verhängte Zölle, die das Handelsverhältnis der grössten und zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt empfindlich stören. In die USA gelangen zum Beispiel keine chinesischen E-Autos mehr, China schneidet das Ausland dafür von für die Industrie wichtigen Seltenen Erden ab.

Die Kriege in Nahost und der Ukraine

Weitere Verunsicherung bringen die Kriege in der Ukraine und dem Nahen Osten. Sie beeinträchtigen Chinas internationalen Handel massiv und belasten die diplomatischen Beziehungen mit dem Westen. Peking, Moskaus wichtigster Partner, brachte bereits eigene Friedenspläne ein, tritt international ohne konkrete Ergebnisse damit aber auf der Stelle.

«Ich glaube, China hasst die Invasion in die Ukraine. Sie verletzt das grundlegende Prinzip seiner Aussenpolitik, die eine Einmischung in die Belange anderer Staaten ablehnt», sagt der China-Beobachter und frühere Botschafter Australiens in Peking, Geoff Raby. China blicke mehr nach Westen als Russland, müsse aber das Überleben von Kremlchef Wladimir Putin sichern. Eine Revolution im wichtigen Partnerland brächte nur weitere Instabilität, meint Raby.

Andere sehen eine konkrete Strategie: «Peking nutzt den Ukraine-Krieg und den Gaza-Konflikt, um westliche Staaten, vor allem die USA, als instabile Akteure darzustellen und China als alternativen globalen Anführer zu präsentieren, der Frieden und Stabilität unterstützt und fairere Ergebnisse liefern kann», sagt Aussenpolitik-Analystin Bonnie Glaser von der Stiftung German Marshall Fund aus den USA. Peking wolle als Friedensbringer gesehen werden, habe aber nur wenig Erfahrung als Vermittler, sagt Glaser.

Die Lage in China

Innenpolitisch sitzt Xi dennoch fest im Sattel. Seit einer Verfassungsänderung 2023 könnte er unbegrenzt an der Macht bleiben. «Xi Jinping hat die Zügel der Partei fest in der Hand – und zieht sie mit immer neuen Antikorruptions- und Disziplinarkampagnen straffer an», sagt Merics-Expertin Drinhausen. Die zunehmende Kontrolle sei auch nötig, um in 25 Jahren zum 100. Geburtstag die Vision Xis vom Wiederaufstieg Chinas zu erreichen.

Vieles deutet darauf hin, dass Peking bis 2049 auch Taiwan mit China «wiedervereint» haben will. Die Volksrepublik zählt die Insel zu ihrem Gebiet, obwohl in Taipeh seit Jahrzehnten eine von Peking unabhängige Regierung an der Macht ist. Die Frage ist, ob China einen Krieg lostreten wird. Eine Invasion hat es bereits angedroht, sollte die «Wiedervereinigung» nicht auf friedlichem Wege zustande kommen.

Xi setze nicht nur auf Ideologie und Kampagnen, sondern auch auf Gesetze, Regularien und neue Institutionen, um seine politische Agenda durchzusetzen, sagt Drinhausen. Was einmal schwarz auf weiss stehe, sei viel schwieriger, wieder abzuschaffen. Dieses Erbe werde China weiter bestimmen, selbst wenn Xi das Zepter weiterreichen sollte. «Doch ein Nachfolger ist bislang nicht in Sicht», sagt Drinhausen.

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