«The Girl from Ipanema» machte ihn weltberühmt, doch er starb vereinsamt und hoch verschuldet: Der brasilianische Sänger und Gitarrist João Gilberto ist tot.
Bossa-Nova-Legende João Gilberto
Bossa-Nova-Legende João Gilberto - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der 88-jährige Musiker war einer der Väter des Bossa Nova.

Er starb im Alter von 88 Jahren in Rio de Janeiro, wie sein in den USA lebender Sohn João Marcelo am Samstag im Onlinenetzwerk Facebook mitteilte. Die Todesursache nannte er nicht. Gilberto gilt als einer der Väter des Bossa Nova.

Mit seiner sanften Stimme besang die Ikone des melodiösen Musikstils die brasilianische Seele und brachte den Bossa Nova auf die grossen Bühnen dieser Welt. Gilberto sei «ein Revolutionär» gewesen, «ohne es wirklich zu wollen», sagte der Musikkritiker Bernardo Araujo. Er habe gezeigt, dass ein Sänger keine «grosse Stimme» brauche, sondern dass ein leises Singen, «fast ein Wispern», ausreiche.

Im Alter von 14 Jahren bekam der am 10. Juni 1931 in Juazeiro im Bundesstaat Bahia geborene Gilberto seine erste Gitarre und entdeckte seine Liebe zur Musik. Vier Jahre später verliess er sein Heimatdorf und versuchte sein Glück in Rio. 1957 machte er sich auf dem Album «Canção do Amor Demais» von Elizete Cardoso, das als erstes Bossa-Nova-Album gilt, einen Namen als Gitarrist.

Der Sänger von Hits wie «Desafinado», «Corcovado» und «Chega de Saudade» galt als besessener Perfektionist. Er veröffentlichte dutzende Alben, die bekanntesten nahm er mit Jazzgrössen wie dem Saxofonisten Stan Getz und dem Sänger und Komponisten Antônio Carlos Jobim auf.

Eines der gemeinsamen Stücke ist das weltberühmte «The Girl from Ipanema», bei dem seine damalige Frau Astrud Gilberto sang. Sie verliess ihn später für Stan Getz. Bekannt wurde das Lied im Herbst 1964, als es Astrud Gilberto bei einem Konzert in der New Yorker Carnegie Hall sang. Der US-Entertainer Frank Sinatra übernahm es drei Jahre später in sein Repertoire.

Gilbertos zweite Frau war die bekannte brasilianische Musikerin Miúcha, die mit bürgerlichem Namen Heloísa Maria Buarque de Holanda hiess. Die beiden waren acht Jahre lang verheiratet. 1966 wurde die gemeinsame Tochter Bebel in New York geboren. Fast 20 Jahre lebte Gilberto in den USA - mit einer zweijährigen Unterbrechung in Mexiko.

Ende 1979 kehrte Gilberto nach Rio de Janeiro zurück. Einen seiner letzten Auftritte hatte er 2008 in Salvador de Bahia - die Karten für die Tour zum 50. Geburtstag des Bossa Nova, zu deutsch neue Welle, waren in weniger als einer Stunde ausverkauft.

In ihren späteren Jahren wurde die Bossa-Nova-Legende zum exzentrischen Einsiedler. Gilberto lebte zurückgezogen, trug meist nur Pyjamas und reichte aus Angst vor Knochenbrüchen niemandem die Hand. «Vor dem Mikrofon war er ein voller Erfolg», sagte sein Biograf Ruy Castro im vergangenen Jahr. «Aber hinter der Bühne war es das Gegenteil.»

Immer seltener gab er Konzerte, oft sagte er in letzter Minute ab. Einmal beschrieb er den Bühnenauftritt voller Panik als «Gang aufs Schafott». Ein Konzert in Lissabon brach er 1989 nach nur drei Stücken ab, weil ihn die Klimaanlage störte.

Seit 1989 hatte Gilberto kein neues Album mehr veröffentlicht, seit 2008 kein Konzert mehr gegeben. Mit seinem ersten Plattenlabel hatte er sich zerstritten. Um seine Schulden zu begleichen, musste er 60 Prozent seiner Tantiemen für seine ersten vier Alben verkaufen.

Seine letzte Ehefrau Claudia Faissol überredete ihn, 2011 anlässlich seines 80. Geburtstags noch einmal auf Tour zu gehen. Doch er machte einen Rückzieher und begründete dies mit gesundheitlichen Problemen. Einen Gagen-Vorschuss von rund 600.000 Dollar musste er zurückzahlen.

Ein Streit zwischen seinen Kindern João Marcelo und Bebel auf der einen und Faissol auf der anderen Seite prägten die vergangenen Jahre. Sie warfen Faissol vor, für den Ruin ihres Vaters verantwortlich zu sein - Ende 2017 übernahm Bebel die Vormundschaft für ihren Vater. Mit der 40 Jahre jüngeren Journalistin, von der Gilberto zuletzt getrennt lebte, hat er eine Tochter.

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