Begleitet von Boykottaufrufen wählt der Iran an diesem Freitag ein neues Parlament.
Wahlkampfveranstaltung Iran
Iranische Frauen schwenken die Fahnen ihres Landes während einer Wahlkampfveranstaltung vor den Parlamentswahlen. Am Freitag wählt der Iran ein neues Parlament und den sogenannten Expertenrat. Foto: Vahid Salemi/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Vahid Salemi

Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei hat unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen die Wahlen im Iran eröffnet. Das Staatsoberhaupt gab am Freitag seine Stimmen für die Parlamentswahl und den Expertenrat im Zentrum der Hauptstadt Teheran ab. «Die Augen der Menschen und Politiker in der Welt sind auf den Iran gerichtet», sagte Chamenei nach der Stimmabgabe. «Sowohl Freunde als auch Feinde», fügte er hinzu.

Die Wahllokale sind von 8.00 bis 18.00 Uhr Ortszeit (5.30 bis 15.30 Uhr MEZ) mit der Möglichkeit zur Verlängerung geöffnet. Mit ersten Ergebnissen wird am Wochenende gerechnet.

Rund 61 Millionen Menschen sind am Freitag dazu aufgerufen, ein neues Parlament (Madschles) und den Expertenrat, ein einflussreiches Gremium islamischer Geistlicher, zu wählen. Zahlreiche kritische Kandidaten wurden vor den Wahlen durch den sogenannten Wächterrat ausgeschlossen. Die Bevölkerung ist desillusioniert von gescheiterten Reformversuchen der vergangenen Jahrzehnte. Viele Menschen wollen nicht wählen gehen.

Das Lager der Reformpolitiker ist extrem geschwächt. Vor allem konservative Kräfte ringen um die Macht. Es sind die ersten Wahlen nach den von Frauen angeführten Protesten im Herbst 2022.

Rekordzahl von 15'000 Iranern kandidiert

Das politische System der Islamischen Republik vereint seit der Revolution von 1979 theokratische und republikanische Elemente. Die 290 Sitze des Parlaments, fünf davon reserviert für religiöse Minderheiten, werden alle vier Jahre vom Volk gewählt. Der sogenannte Wächterrat, ein erzkonservatives Kontrollgremium, entscheidet dabei über die ideologische Eignung der Politiker.

In der Folge können die Bürger meist nur aus einem Kreis systemtreuer Kandidaten auswählen. Der Wächterrat schloss beispielsweise 5000 Bewerber aus. Dennoch kandidiert eine Rekordzahl von 15'000 Iranerinnen und Iranern.

Kandidatinnen und Kandidaten gehen nicht mit Parteien ins Rennen, sondern organisieren sich über Listen. In Teheran etwa werden 30 Sitze für die Nationalversammlung gewählt, entsprechend stellen die Bündnisse jeweils 30 Kandidaten vor. In der Hauptstadt konkurrieren ein halbes Dutzend konservative Gruppen um die Vorherrschaft. Wenige Tage vor der Wahl deutete sich ein erbitterter Machtkampf zwischen dem amtierenden Parlamentspräsidenten Mohammed Bagher Ghalibaf und erzkonservativen Lagern an. Die aktuelle Legislaturperiode endet am 26. Mai.

Erste Wahlen nach den landesweiten Protesten im Herbst 2022

Bekannte Aktivisten, unter ihnen die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi, riefen zum Boykott auf.

Der Staatsspitze dürften die Wahlen nicht gleichgültig sein, wie jüngste Äusserungen von Spitzenpolitikern und auch Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei zeugen. Sie riefen die Nation eindringlich dazu auf, an den Wahlen teilzunehmen. Bei der vergangenen Parlamentswahl im Jahr 2020 lag die Wahlbeteiligung offiziell bei knapp über 40 Prozent, dem niedrigsten Wert in der Geschichte der Islamischen Republik.

Wahl des Expertenrats rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit

Neben dem Parlament wird auch der Expertenrat direkt vom Volk gewählt. Dem auf acht Jahre gewählten Gremium gehören 88 schiitische Geistliche an, die im Todesfall die Nachfolge des Religionsführers bestimmen. Chamenei gilt als mächtigster Mann im Iran, im April wird das Staatsoberhaupt bereits 85 Jahre alt. Nur 144 Kandidaten sind für den Rat zugelassen. Begründet wurde die geringe Zahl mit strengen theologischen Auflagen. Für Kritik sorgte vor den Wahlen die Disqualifikation des moderaten Ex-Präsidenten Hassan Ruhani, der bereits seit mehr als 20 Jahren Mitglied des Expertenrats ist.

Das Parlament ist Irans gesetzgebende Institution. Die eigentliche Macht konzentriert sich aber auf die Staatsführung, mit Religionsführer Chamenei an der Spitze. Auch der Präsident wird alle vier Jahre vom Volk als Regierungschef gewählt und ernennt die Minister. Daneben hat auch der Sicherheitsrat weitreichende Befugnisse. Irans Elitestreitmacht, die Revolutionswächter (IRGC), haben in den vergangenen Jahrzehnten ihren Einfluss auf allen Ebenen ausgebaut und sind zu einem Wirtschaftsimperium aufgestiegen.

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