Die Proteste im Iran gehen mit unverminderter Wucht weiter: Trotz hunderter Festnahmen fanden am Mittwoch im ganzen Land erneut Kundgebungen statt.
Proteste in Teheran am 8. Oktober
Proteste in Teheran am 8. Oktober - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Menschenrechtler melden mindestens 108 Tote seit Protestbeginn.

In Isfahan, Karadsch und Saghes fielen dabei Schüsse, wie aus Videos der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsorganisationen Iran Human Rights (IHR) und Hengaw hervorging. Mindestens 108 Menschen wurden laut Aktivisten im Zuge der Proteste bislang getötet. Die EU-Länder einigten sich am Mittwoch laut Diplomaten auf neue Sanktionen gegen den Iran.

Insbesondere die nordwestliche Provinz Kurdistan wurde am Mittwoch wieder von Protesten erschüttert. Mehreren Menschenrechtsorganisationen zufolge gehen die Sicherheitskräfte in der Provinzhauptstadt Sanadadsch besonders hart gegen die Demonstranten vor. Die 22-jährige Kurdin Mahsa Amini, deren Tod die Protestwelle ausgelöst hatte, stammte aus Sanadadsch.

In Teheran gingen Studentinnen ohne Kopftuch auf die Strasse und riefen «Tod dem Diktator», wie auf einem von der Nachrichtenagentur AFP verifizierten Video zu sehen ist. Wie die iranische Nachrichtenagentur Isna berichtete, war in Teheran ein Grossaufgebot an Polizisten im Einsatz.

Auch Anwältinnen und Anwälte schlossen sich den Protesten in der Hauptstadt an und skandierten: «Frau, Leben, Freiheit». Laut IHR setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein, um die Kundgebung aufzulösen. Mindestens drei Anwälte wurden laut einem Bericht der Zeitung «Schargh» festgenommen.

Bei den seit knapp einem Monat andauernden Protesten sind nach Angaben von IHR bislang mindestens 108 Menschen getötet worden, darunter 28 Kinder. Die in Teheran ansässige iranische Gesellschaft für den Schutz von Kinderrechten erklärte, Familien würden zudem «im Ungewissen über den Verbleib ihrer Kinder gelassen». Ausserdem werde Minderjährigen der Beistand durch Anwälte und die Prüfung ihrer Fälle durch Jugendrichter vorenthalten. Die Gesellschaft forderte, die Regierung müsse für diese Missstände «zur Rechenschaft gezogen» werden.

Der Vize-Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Ali Fadawi, hatte iranischen Medien vor einer Woche gesagt, das «Durchschnittsalter der Festgenommenen bei vielen der jüngsten Proteste» habe bei 15 Jahren gelegen. Der iranische Bildungsminister Jussef Nuri bestritt am Mittwoch jedoch, dass Schülerinnen und Schüler inhaftiert worden seien.

Gegen mehr als 120 Demonstranten hat die Justiz inzwischen Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wie «Misan Online», die Website der iranischen Justiz, am Mittwoch mitteilte, wurden allein in der Hauptstadtprovinz Teheran 60 Verfahren gegen Protestierende eingeleitet. Weitere 65 Verfahren wurden aus der südlichen Provinz Hormosgan gemeldet.

Der oberste geistliche Führer, Ayatollah Ali Chamenei, warf erneut den «Feinden» des Iran vor, «in die Unruhen verwickelt» zu sein. Anfang Oktober hatte er bereits die USA und Israel beschuldigt, die Proteste geschürt zu haben. Experten zufolge haben die iranischen Behörden grosse Schwierigkeiten, die Proteste einzudämmen. Grund sind demnach die Dauer und die verschiedenen Formen des Protests, die von Demonstrationen bis hin zu einzelnen Widerstandsaktionen reichen.

Die EU-Länder einigten sich am Mittwoch laut Diplomaten auf neue Sanktionen gegen den Iran wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen die Demonstranten. Wie aus Diplomatenkreisen verlautete, sollen die EU-Aussenminister die Sanktionen am Montag bei einem Treffen in Luxemburg offiziell beschliessen. Nähere Details wurden nicht bekannt.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuvor gesagt, es sei «an der Zeit», Sanktionen gegen die Verantwortlichen «für die Unterdrückung von Frauen» im Iran zu verhängen. Auch die USA, Grossbritannien und Kanada haben bereits Strafmassnahmen gegen den Iran beschlossen.

Die Proteste waren durch den Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini ausgelöst worden. Die 22-Jährige war am 16. September in Teheran gestorben, nachdem sie dort drei Tage zuvor von der Sittenpolizei wegen des Vorwurfs festgenommen wurde, ihr Kopftuch nicht den Vorschriften entsprechend getragen zu haben.

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