Die vom Militär dominierte Regierung des Sudan hat mit Regierungschef Abdullah Hamdok ihr ziviles Gesicht verloren.
Sudans abgetretener Regierungschef Abdullah Hamdok
Sudans abgetretener Regierungschef Abdullah Hamdok - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Wiedereingesetzter Regierungschef Hamdok tritt zurück und warnt vor «Katastrophe».

Angesichts der schweren politischen Konflikte im Land erklärte Hamdok am Sonntagabend seinen Rücktritt. «Ich habe mein Bestes versucht, das Land davon abzuhalten, in die Katastrophe abzugleiten», sagte der 66-Jährige in einer dramatischen Fernsehansprache. Doch sei es nicht gelungen, einen «Konsens» der politische Kräften zu finden.

Hamdok beklagte die «Zersplitterung der politischen Kräfte» in dem nordostafrikanischen Land und die Konflikte zwischen den militärischen und zivilen Teilen der Übergangsregierung. Trotz aller Anstrengungen sei deshalb ein politischer Konsens nicht zustande gekommen. Nun habe der Sudan einen «gefährlichen Wendepunkt überschritten, der sein Überleben bedroht».

De facto konzentrierte sich die Macht im Sudan bereits in den Händen von General Abdel Fattah al-Burhan. Er hatte am 25. Oktober den Ausnahmezustand verhängt und die Regierung abgesetzt, die nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Omar al-Baschir im April 2019 den Übergang zu demokratischen Wahlen hatte leiten sollen. Es folgten Massenproteste, al-Burhan setzte Hamdok daraufhin Ende November wieder als Regierungschef ein.

Al-Burhan kündigte im November auch Wahlen für den Juli 2023 an. Demonstranten kritisierten jedoch, dass die Wiedereinsetzung Hamdoks lediglich dem Zweck gedient habe, den herrschenden Putschisten einen Anschein von Legitimität zu verleihen. Viele der pro-demokratischen Demonstranten brandmarkten den Regierungschef deshalb als «Verräter».

Laut Medienberichten war Hamdok schon in den vergangenen Tagen nicht mehr in seinem Büro erschienen, was Spekulationen über seinen Rücktritt anheizte. Als Regierungschef sei er «gelähmt» gewesen und hätte «nichts erreichen» können, sagte der Forscher am Rift Valley Institute, Magdi Gizouli. Jetzt sei klar, «dass das Militär allein am Ruder ist». «Die Demonstranten, die wieder auf die Strasse gehen, müssen mit mehr Gewalt rechnen.»

Die regelmässigen Massendemonstrationen für eine Rückkehr zu einer zivilen Regierung halten seit Ende Oktober an und das Militär ging immer wieder gewaltsam dagegen vor. Vergangene Woche waren bei tagelangen Protesten nach Angaben eines Ärzte-Komitees mehrere Menschen getötet worden. Seit Ende Oktober sind des demnach insgesamt 57 Todesopfer.

Das Militär setzt zudem auf Abriegelung und Abschreckung. Regelmässig kommt es zu Ausfällen im Mobilfunknetz und vergangene Woche waren die Nilbrücken, welche die Hauptstadt Khartum mit den Vorstädten verbinden, tagelang blockiert. Nach UN-Angaben wurden weibliche Demonstranten von Sicherheitskräften vergewaltigt.

«Es ist eine offene Konfrontation zwischen den Sicherheitskräften und dem alten Regime auf der einen Seite - diesmal jedoch ohne al-Baschir - und einer führerlosen Bewegung auf der Strasse auf der anderen Seite», fasst Gizouli zusammen. Zusammenhalt gebe den mehrheitlich jungen Demonstranten nur ihre Überzeugung, dass der Aufstand von 2019 gegen den damaligen Machthaber heute fortgesetzt werden müsse.

Die Reaktionen aus dem Ausland auf Hamdoks Rückzug fielen verhalten aus. Die USA forderten «die sudanesische Führung auf, ihre Differenzen beiseite zu legen». Grossbritannien äusserte sich «sehr betrübt» über Hamdoks Abgang. Der UN-Gesandte Volker Perthes drückte sein Bedauern aus, er respektiere aber die Entscheidung. Die Bundesregierung wiederholte ihre Forderung nach «einer zivilen Regierung und einer Fortsetzung des Transformationsprozesses in Richtung Demokratie».

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