Sie ist die Mutter des berüchtigsten Terroristen der Welt. 17 Jahre nach 9/11 spricht Alia Ghanem mit dem «Guardian» über ihren Sohn Osama Bin Laden.
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Osama bin Laden wurde 2011 getötet. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Zum ersten Mal seit 9/11 spricht Osama Bin Ladens Mutter mit Journalisten.
  • Gegenüber dem «Guardian» bricht sie ihr Schweigen über ihren Erstgeborenen.

Alia Ghanem hat erstmals seit vielen Jahren Journalisten in Saudi-Arabien empfangen, um über ihren Sohn Osama bin Laden zu sprechen. Die Mutter des berüchtigsten Terroristen der Welt brachte Osama 1957 in Riad zur Welt, von seinem Vater liess sie sich drei Jahre nach seiner Geburt scheiden.

Scheuer, intelligenter Junge

Auf ihren Erstgeborenen angesprochen, schildert sie einem Journalisten des «Guardians» das Leben des jungen Osamas. Er sei ein scheuer, aber intelligenter Junge gewesen, welcher gerne gelernt habe. Den Grund für seine Radikalisierung sehe sie aber in seinem Umfeld: «Er war ein sehr liebes Kind, bis er Menschen traf, die ihn in seinen frühen 20gern mehr oder weniger einer Gehirnwäsche unterzogen.» Auf die Frage, ob sie jemals den Verdacht hegte, dass ihr Sohn ein radikaler Dschihadist werden würde, antwortet die 84-Jährige, sowas sei ihr nie in den Sinn gekommen. Als es dann wirklich passierte, sei die gesamte Familie sehr bestürzt gewesen. Sie selbst habe nicht gewollt, dass er so wurde.

Die Schuld will sie aber nicht ihrem Sohn zuweisen. Dies bestätigt auch Sohn Ahmad: «Es ist nun 17 Jahre her und sie verleugnet weiterhin Osama. Sie hat ihn so sehr geliebt und weigert sich, ihn dafür verantwortlich zu machen. Sie macht dafür alle andere um ihn herum verantwortlich. Sie kennt nur die Seite des guten Jungens, die Seite, die wir alle sahen. Sie hat die dschihadistische Seite nie kennengelernt.» Ihren Halbbruder hätten sie zuletzt 1999 gesehen.

Osama bin Laden (2.v.r) mit seiner Familie 1971 in Schweden.

Gespaltener Stolz

Dem Gespräch mit dem Reporter sitzen auch Osamas Halbbrüder Ahmad und Hassan und sein Schwiegervater Mohammed al-Attas bei. Hassan gibt zu, er sei in den ersten Jahren stolz gewesen auf seinen ältesten Bruder. Überall habe man Osama respektiert und vornehm behandelt. Als sich bin Laden dann zum internationalen Dschihadisten entwickelte, veränderte sich auch die Gefühlslage Hassans: «Ich bin sehr stolz auf ihn, insofern er mein ältester Bruder war. Er hat mir sehr viel beigebracht. Aber ich denke nicht, dass ich auf ihn als Mann stolz bin. Er erreichte Superstarstatus auf internationaler Ebene und dies war alles umsonst.»

Ähnliches berichtet auch sein Bruder Ahmad. So sei er auch geschockt gewesen, als die ersten Nachrichten aus New York am 11.September 2001 bei ihnen eintrafen. Es sei ein sehr komisches Gefühl gewesen, denn sie hätten gewusst, dass es sich beim Drahtzieher um Osama handelte. Die Reaktionen seien in der gesamten Familie gleich ausgefallen: «Vom Jüngsten bis zu Ältesten schämten sich alle für ihn.» Vor allem aber habe der Vorfall zu grossen Konsequenzen für die Familie geführt: «In Saudi-Arabien gab es ein Reiseverbot. Sie versuchten so gut wie möglich die Kontrolle über die Familie zu haben.» Nach zwanzig Jahren könne sich die Familie im und ausserhalb des Königreichs wieder relativ frei bewegen.

Die Narben bleiben

Ganz abschliessen kann die Familie mit den Ereignissen von 9/11 trotzdem nicht. Letztes Jahr wurde Osamas jüngster Sohn Hamza von den USA als «internationaler Terrorist» erklärt und scheint bei der al-Qaida unter dem neuen Anführer Ayman al-Zawahiri die Rolle des Vaters übernommen zu haben. Bei der Familie trifft dies auf wenig Zustimmung. Gegenüber dem «Guardian» zeigen sich Bin Ladens Brüder bestürzt über die Gesinnung Hamzas: «Wir dachten, dass alle darüber hinweg sind. Dann sagte Hamza: ‹Ich werde meinen Vater rächen›. Ich will das nicht nochmal durchmachen. Wenn Hamza vor mit stünde, würde ich ihm sagen: ‹Gott führt dich. Denke zweimal über das nach, was du tust. Gehe nicht den selben Weg wie dein Vater. Du betrittst grauenhafte Bereiche deiner Seele.›»

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