Brände im Amazonas-Regenwald sorgen für Empörung. Alles halb so schlimm, schreibt ein US-Magazin. Ein ETH-Forscher hält dagegen.
Amazonas Regenwald
Rauch steigt aus dem Regenwald im Amazonas bei Altamira in Brasilien. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Amazonas-Regenwald wird oft als «Lunge der Welt» bezeichnet.
  • Doch der Wald produziert zwar viel Sauerstoff, verbrauche aber die gleiche Menge.
  • Forscher glauben, dass die Brände 2019 nicht primär wegen Trockenheit entfacht sind.

Dramatische Waldbrände in der Amazonas-Region sorgen weltweit für Schlagzeilen. Die «Lunge der Welt» steht in Flammen, schreiben Medien. Als Sündenbock gilt in der westlichen Welt der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro und dessen ökologische Verantwortungslosigkeit.

Jetzt sorgt ein Artikel aus dem «Forbes»-Magazin für Aufsehen. Der Text mit dem Titel «Warum alles, was sie über den Amazonas sagen, falsch ist» wird besonders in rechten Kreisen fleissig geteilt.

Verfasser ist Autor Michael Schellenberger, der sich schon seit Jahren mit Umweltthemen auseinandersetzt. Im Text entkräftet er Aussagen, die öfters wiederholt werden.

Ein Mitarbeiter der brasilianischen Umweltbehörde steht vor einem Brand. Foto: Gabriela Biló/XinHua
Ein Mitarbeiter der brasilianischen Umweltbehörde steht vor einem Brand. Foto: Gabriela Biló/XinHua - dpa-infocom GmbH

Schellenberg schreibt etwa, dass der Amazonas-Urwald nicht die «Lunge der Welt» sei. Der Wald produziere viel Sauerstoff, verbrauche aber die gleiche Menge.

Abholzung hat abgenommen

Im vielfach geteilten Bericht steht zudem, dass die Anzahl der Feuer zwar gegenüber dem Vorjahr um 80 Prozent höher seien, aber nur zehn Prozent über dem Zehnjahresschnitt. Kommt dazu: Die jährliche Abholzung ging zwischen 2004 und 2012 um 70 Prozent zurück.

Also alles halb so schlimm? Im Bezug auf die «Lunge der Erde» stimmt ETH-Forscher Harald Bugmann der Argumentation des Verfassers zu. Der Wissenschafter weiss, wovon er spricht. Immerhin ist er seit 15 Jahren Professor für Waldökologie an der Hochschule. Und auch Bugmann stellt fest, dass die Abholzung in den letzten Jahren abgenommen hat.

Das Jahr 2004 als Referenzwert im Artikel ist allerdings irreführend, weil dies der seit 1970 der zweithöchste gemessene Wert ist. Hätte der Verfasser 2005 als Referenzjahr genommen, wäre der Rückgang bescheidener ausgefallen.

«Brasilien hat das Problem erkannt und in der richtigen Richtung gearbeitet», sagt Bugmann. Und ergänzt: «Bis Ende 2018.» Seit Jair Bolsonaro Anfang 2019 an die Macht gekommen ist, nimmt auch die Abholzung wieder zu. Und damit auch die Brände.

Jair Bolsonaro Amazonas Brasilien
Für Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat Umweltschutz keine hohe Priorität. - dpa-infocom GmbH

«Im laufenden Jahr ist die Anzahl der Feuer ungefähr doppelt so gross wie letztes Jahr.» Das habe kaum klimatische oder Wetter-Gründe, «da 2019 nicht wesentlich trockener war als das letzte Jahr.»

Viele Feuer wurden absichtlich gelegt

Bugman argumentiert wie viele seiner Berufskollegen: «Die im Vergleich zum Vorjahr sehr viel höhere Anzahl Brände ist auf Brandstiftung zurückzuführen und nicht auf Trockenheit.» Der ETH-Forscher vermutet, dass aktuell häufig Feuer gelegt würden, weil die aktuelle Regierung wirtschaftliche Interessen über den Naturschutz stellt.

«Dazu passt beispielsweise, dass letztes Jahr rund 25’000 Kubikmeter illegal geschlagenes Holz beschlagnahmt worden sind.» Im Jahr 2019 waren es bisher gerade 40 Kubikmeter. «Das sind etwa zehn grosse Bäume.»

ETH
Harald Bugmann ist Professor an der ETH. - zvg

Auch wenn der Urwald nicht die «Lunge der Welt» ist – seine Bedeutung ist enorm. «Der Amazonas-Regenwald und Wälder generell speichern sehr viel Kohlenstoff und sind für das globale Klima von grosser Bedeutung.» Zudem würden sie den Wasserkreislauf weltweit beeinflussen.

Und nicht nur das: «Im Amazonas findet sich eine sehr hohe Biodiversität, die wir erhalten sollten, aus ethischen wie aus praktischen Gründen.»

So hätten etwa die meisten Arzneimittel ursprünglich eine pflanzliche Basis. «Im Amazonas schlummern ziemlich sicher noch viele Medikamente, die uns nützlich sein könnten. Wenn diese Biodiversität verloren geht, haben wir auch keine Nutzungsmöglichkeit mehr.»

Wer den «Forbes»-Artikel lesen will, findet ihn hier. Er ist in Englisch verfasst.

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