Vor dem Hintergrund wachsender Kritik an der Polizeigewalt in Brasilien hat das oberste Gericht des Landes Razzien in den Armenvierteln von Rio de Janeiro während der Corona-Pandemie untersagt.
Das Armenviertel Pavao-Pavaozinho in Rio de Janeiro
Das Armenviertel Pavao-Pavaozinho in Rio de Janeiro - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Richter kritisiert unverhältnismässige Polizeigewalt.

In seinem Urteil vom Freitag erklärte der Richter Edson Fachin, Razzien in den sogenannten Favelas dürften für die Dauer der Pandemie nur in «absoluten Ausnahmefällen» und nur bei einer entsprechenden Genehmigung der Staatsanwaltschaft stattfinden. Am Einsatz unverhältnismässiger Polizeigewalt übte der Richter deutliche Kritik.

Bereits vor der Pandemie seien die Verfahren beim Einsatz von Polizeigewalt «bedenklich» gewesen, sagte Fachin. «Die Pandemie, welche die meisten Menschen zwingt, zu Hause zu bleiben, stellt die Zweckmässigkeit dieser Verfahren in Frage und erhöht das Risiko (für die Favela-Bewohner) zusätzlich.»

Der Richter bezog sich ausdrücklich auf den Fall des 14-jährigen João Pedro Mattos Pinto, der am 18. Mai während eines Polizeieinsatzes in der Favela Salgueiro von Polizisten erschossen worden war. Nach Angaben der Familie des Jungen feuerten Polizisten in dem Wohnhaus Schüsse ab und warfen Handgranaten, obwohl sich nur Kinder darin befanden. «Nichts kann rechtfertigen, dass ein 14-jähriges Kind mehr als 70 Mal angeschossen wird», sagte Fachin.

Trotz der Corona-Einschränkungen im Bundessaat Rio de Janeiro hatte es nach der Tötung des Jungen Proteste gegeben. Brasiliens Polizei wird immer wieder unverhältnismässige Gewaltanwendung vorgeworfen. Offiziellen Angaben zufolge töteten Polizisten in Rio de Janeiro im vergangenen Jahr mehr als 1800 Menschen - ein Anstieg von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Brasiliens rechtsradikaler Präsident Jair Bolsonaro hat das Vorgehen der Polizei immer wieder verteidigt.

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