Laut dem von Amnesty veröffentlichten Bericht seien einige Vergewaltigungsopfer zu Sex-Sklaven gemacht und verstümmelt worden.
Grenze zwischen Äthiopien und Eritrea
Grenze zwischen Äthiopien und Eritrea - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Opfer seien «erniedrigt» und «entmenschlicht» worden, erklärt Amnesty.
  • Der Bericht stützt sich auf Interviews mit 63 Überlebenden.

Äthiopische und eritreische Truppen haben laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in der Konfliktregion Tigray hunderte Frauen und Mädchen vergewaltigt. Laut dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht seien einige der Opfer zu Sex-Sklaven gemacht und verstümmelt worden. «Die Schwere und das Ausmass der begangenen Sexualverbrechen sind besonders schockierend und kommen einem Kriegsverbrechen und möglicherweise einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleich», sagte Amnesty-Generalsekretärin Agnes Callamard.

«Es ist klar, dass Vergewaltigung und sexuelle Gewalt als Kriegswaffe eingesetzt wurden, um Frauen und Mädchen in Tigray dauerhaften physischen und psychischen Schaden zuzufügen», sagte Callamard weiter. Die Opfer seien «erniedrigt» und «entmenschlicht» worden.

Der Bericht stützt sich auf Interviews mit 63 Überlebenden. Einige berichteten davon, wie sie wochenlang gefangen gehalten und von mehreren Männern gleichzeitig vergewaltigt wurden. Andere erzählten, dass sie vor den Augen von Familienangehörigen vergewaltigt wurden. Manche berichteten, dass ihnen Gegenstände wie Nägel und Kies in die Vagina eingeführt wurden, was laut Amnesty «dauerhafte und möglicherweise irreparable Schäden verursachte».

Auch äthiopische Regierungssoldaten darunter

«Sie vergewaltigten uns und liessen uns hungern», berichtete eine 21-jährige Überlebende, die laut eigenen Angaben 40 Tage lang festgehalten wurde. Es seien viele Männer gewesen, die sich bei den Vergewaltigungen gegenseitig abgewechselt hätten. Insgesamt seien mit ihr etwa 30 Frauen entführt worden, die alle vergewaltigt wurden.

Zu den mutmasslichen Vergewaltigern gehören laut Amnesty äthiopische Regierungssoldaten, Truppen aus dem benachbarten Eritrea sowie Sicherheitskräfte und Milizionäre aus der äthiopischen Region Amhara. Mehr als zwei Dutzend Überlebende berichteten Amnesty, sie seien nur von Eritreern vergewaltigt worden, während andere sagten, Eritreer und Äthiopier hätten zusammengearbeitet.

Amnesty erklärte, dass medizinische Einrichtungen in Tigray von Februar bis April 1.288 Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt registriert hätten. Ärzte nehmen allerdings an, dass viele Überlebende sich nicht melden.

Konflikt seit November

Im Norden Äthiopiens tobt seit November ein Konflikt zwischen Regierungstruppen und der in Tigray regierenden Gruppe TPLF. Nachdem die Regierung die Region mit Unterstützung aus dem ehemals verfeindeten Nachbarland Eritrea zunächst einnehmen konnte, eroberten mit der TPLF verbündete Kämpfer die Regionalhauptstadt Mekele im Juni zurück. Ministerpräsident Abiy Ahmed rief daraufhin einen einseitigen Waffenstillstand aus.

Am Dienstag rief er die Bevölkerung jedoch zur Generalmobilmachung auf. Alle «fähigen und erwachsenen Äthiopier» sollten sich den «Streitkräften, Spezialeinheiten und Milizen anzuschliessen und ihren Patriotismus» zeigen, sagte der Friedensnobelpreisträger von 2019.

Die Vereinten Nationen stufen die Lage der Zivilisten in Tigray und den angrenzenden Regionen als verheerend ein. 400'000 Menschen droht demnach Hunger. Auch die Nachrichtenagentur AFP hatte bereits mehrere Überlebende von Gruppenvergewaltigungen durch äthiopische und eritreische Soldaten interviewt.

«Müssen erst einmal gründlich recherchieren»

Im Februar hatte die äthiopische Frauenministerin Filsan Abdullahi Ahmed zugegeben, dass es in Tigray «ohne Zweifel» Vergewaltigungen gegeben habe. Eine von ihr eingesetzte Arbeitsgruppe hatte daraufhin einen Bericht an die Generalstaatsanwaltschaft geschickt.

Am Dienstag sagte Filsan der AFP, es sei Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, das Ausmass des Problems und die Verantwortlichen zu ermitteln. «Ich denke, sie tun ihr Bestes», sagte die Ministerin. Die Behörden «müssen erst einmal gründlich recherchieren», bevor sie die Schuldigen nennen könnten. Sie fügte hinzu: «Ich würde es begrüssen, wenn sie schneller vorankämen.»

Im Mai hatte die äthiopische Generalstaatsanwaltschaft mitgeteilt, dass drei Soldaten wegen Vergewaltigung verurteilt worden seien und dass weitere 25 Soldaten wegen «sexueller Gewalt und Vergewaltigung» angeklagt worden seien.

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