Vor der US-Kongresswahl ist der Ton zwischen den Parteien aggressiv. Ein Rennen in der Ferne Alaskas sticht heraus: Eine Demokratin bezwang Republikanerin Sarah Palin - und will es wieder tun.
US-Demokratin Mary Peltola ist die erste Frau und die erste Ureinwohnerin, die für Alaska ins Repräsentantenhaus einzog.
US-Demokratin Mary Peltola ist die erste Frau und die erste Ureinwohnerin, die für Alaska ins Repräsentantenhaus einzog. - Marc Lester/Anchorage Daily News/AP/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Mary Peltola hat ein Wunder vollbracht.

Die US-Demokratin hat in ihrer Heimat Alaska geschafft, was viele Parteikollegen gerne nachahmen würden: den Republikanern einen Sitz im Kongress abzuknöpfen und einen erz-republikanischen Wahlkreis zu erobern.

Bis vor kurzem kannte in den USA jenseits von Alaska kaum jemand den Namen der 49-Jährigen. Das änderte sich Ende August schlagartig, als sie in einer Sonderwahl überraschend die frühere republikanische Vizepräsidentschaftskandidatin und politische Reizfigur Sarah Palin besiegte und Geschichte schrieb: Peltola ist die erste Frau und die erste Ureinwohnerin, die für Alaska ins Repräsentantenhaus einzog - und vor allem die erste Demokratin seit einem halben Jahrhundert, die den Bundesstaat in der Kammer vertritt. Anfang November treten Peltola und Palin wieder gegeneinander an.

Neue Hoffnungsträgerin der Partei

Seit dem Überraschungssieg meldete sich die gesammelte Prominenz der Demokraten bei Peltola. Die Führung der Partei bemüht sich auf allen Kanälen, ihr zu einem zweiten Sieg zu verhelfen. Denn bei der regulären Kongresswahl in gut vier Wochen, wenn alle Sitze im Repräsentantenhaus und ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben werden, muss auch Peltola ihr gerade gewonnenes Mandat verteidigen - wieder gegen ihre Mitbewerberin Palin. Peltolas Chancen stehen dabei laut Umfragen nicht schlecht. Die Demokraten, die Gefahr laufen, ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus zu verlieren, müssen um jeden Sitz kämpfen. Und Peltola ist da eine neue Hoffnungsträgerin der Partei.

Dabei ist Parteipolitik nicht ihre Sache. «Ich war nie ein wirklich parteiischer Mensch», sagt Peltola im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. «Ich habe es nicht zu einer Priorität gemacht, mich in meiner Partei zu engagieren. Ich glaube, dass das eine Falle sein kann. Also habe ich das vermieden.» Alaska ticke anders, meint sie. Der Bundesstaat hoch oben an der nordwestlichen Spitze Nordamerikas ist riesig: Er hat weit mehr als die vierfache Fläche Deutschlands, aber nur etwa so viele Einwohner wie Frankfurt am Main. Bei so einer kleinen Bevölkerungszahl kenne man einander in der Politik über die Jahre einfach, sagt sie. «Und in Alaska kommt es viel mehr auf die Person als auf die Partei an.»

Ihr Vater machte früher Wahlkampf für den Republikaner Don Young, für den Peltola nun in den Kongress nachgerückt ist. Young vertrat Alaska 49 Jahre lang im Repräsentantenhaus, bis er im März im Alter von 89 Jahren starb. Nach seinem Tod musste der Sitz für den Rest der Wahlperiode nachbesetzt werden - daher die Nachwahl ausser der Reihe. Ihr Vater und Young seien enge Freunde gewesen, sagt Peltola.

Wahlkampf ohne persönliche Attacken

Die Demokratin ist siebenfache Mutter, sie hat vier leibliche Kinder und drei Stiefkinder. Sie hat eine sanfte Art, freundlich, zugewandt. In ihrem Wahlkampf verzichtet sie auf politische oder gar persönliche Attacken, schlägt versöhnliche Töne an und konzentriert sich auf die Sachthemen. Wer mit ihr spricht, dem erscheint die erbitterte Spaltung zwischen Republikanern und Demokraten extrem weit weg. Selbst der demokratische Präsident Joe Biden, der einst mit dem Ziel antrat, das Land zu einen, teilt derzeit ungewöhnlich heftig gegen die Republikaner aus. Die Teile der Partei, die dem republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump folgen, nennt er extremistisch, ja «halb-faschistisch», eine Gefahr für die Demokratie. Mehr geht kaum.

Was hält Peltola von dieser Strategie? «Es ist ein anderer Ansatz, aber wir sind auch in einer anderen Ära», sagt sie. Früher seien Präsidentschaftsdebatten höflich und zivilisiert verlaufen, heute sei der Ton dort aggressiv und feindlich. «Wir leben in einer ganz anderen Zeit, und ich weiss nicht, wie effektiv unser Präsident wäre, wenn er als total passiv angesehen würde.»

Dass Peltola den Republikanern auf die freundliche Art den Kongresssitz nach knapp 50 Jahren abgenommen und ausgerechnet gegen Palin gewonnen hat, gilt in den USA als kleine Sensation. Palin war von 2006 bis 2009 Gouverneurin Alaskas, jeder dort kennt sie. Als Ikone der radikal konservativen und populistischen Tea-Party-Bewegung machte Palin USA-weit Schlagzeilen. Und spätestens, als der damalige republikanische Präsidentschaftsbewerber John McCain sie 2008 zu seiner Vizekandidatin machte, wurde sie auch international bekannt. Immer eher laut, schrill, ohne Zwischentöne. Palin machte Wahlkampf für Trump und er zuletzt für sie. Ihre Niederlage ist auch seine.

Warme Worte für Gegenspielerin

Peltola findet selbst für ihre prominente Gegenspielerin warme Worte. «Ich kenne Sarah, seit sie Bürgermeisterin in einer Kleinstadt war», erzählt sie. «Ich habe sie immer gemocht und sie ist eine sehr freundliche Person. Sie ist sehr bodenständig. Ich persönlich habe noch nie erlebt, dass sie aggressiv zu jemandem war.» Als Palin an McCains Seite zu einer «internationalen Berühmtheit» geworden sei, «war sie eine ganz andere Sarah als die, die ich persönlich kenne».

Wenn die beiden Anfang November erneut aufeinandertreffen, wählt Alaska, wie schon bei der Sonderabstimmung, nach einem neuen System. Dabei können Wählerinnen und Wähler für mehr als einen Kandidaten abstimmen und dabei gewichten, wer ihnen am liebsten wäre. Erreicht ein Kandidat nicht direkt die absolute Mehrheit, werden die Stimmen des schwächsten Mitbewerbers auf die anderen verteilt. Einige Republikaner meinen, Peltola habe nur wegen dieser Besonderheit gewonnen. Peltola will sie eines Besseren belehren.

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