Amoklauf: Steigt die Zahl der Gewalttaten aktuell?
Nach dem Amoklauf an der Brown-Universität in den USA und weiteren Anschlägen in diesem Jahr wächst die Sorge: Nehmen Amokläufe weltweit zu?

In den USA hat ein bislang unbekannter Schütze an der Brown-Universität im US-Bundesstaat Rhode Island zwei Menschen getötet. Neun weitere Opfer befinden sich im Krankenhaus, wie «N-TV» berichtet.
Der Anschlag ruft die Frage hervor, ob sich in diesem Jahr Amokläufe gehäuft haben?
Weitere Amokläufe in diesem Jahr
Die Bilder aus Graz erschütterten im Juni 2025 die Welt. Ein 21-jähriger ehemaliger Schüler tötete zehn Menschen an seinem früheren Gymnasium, bevor er sich selbst das Leben nahm, berichtet «MeinBezirk.at»

Nur wenige Monate zuvor hatte ein ähnliches Drama die schwedische Stadt Örebro erschüttert. Solche Tragödien werfen eine beklemmende Frage auf: Häufen sich Amokläufe tatsächlich?
Experten beobachten einen Anstieg
Kriminologe Manuel Heinemann bestätigt im Interview mit dem «ZDF»: Die Zahl der Amoktaten in Deutschland nimmt zu. Die Gründe für diesen Anstieg seien allerdings unklar, so der Experte.
Dabei sei Amok längst nicht mehr nur eine Gefahr an Schulen. Heinemann verweist auf eine Serie von Amoktaten Ende 2024, die Deutschland erschütterte.
Amoklauf in den USA: Besonders dramatische Entwicklung
In den Vereinigten Staaten ist die Lage noch drastischer. Laut der Organisation «KFF» hat sich die Rate der Schüler, die einem Amoklauf ausgesetzt waren, verdreifacht: Von durchschnittlich 19 pro 100'000 Schülern zwischen 1999 und 2004 stieg sie auf 51 im Zeitraum 2020 bis 2024.
Im Jahr 2024 verzeichnete die «K-12 School Shooting Database» 330 Vorfälle an US-Schulen. Das bedeutet: Die vier Jahre 2021 bis 2024 markierten die höchsten Zahlen seit 1966.
Trotz verstärkter Sicherheitsmassnahmen und mehr Ressourcen für psychische Gesundheit setzt sich der Trend fort.
Deutschland: Zweimal jährlich im Durchschnitt
In Deutschland ereignen sich statistisch etwa zwei Amokläufe pro Jahr, wie «Anwalt.de» berichtet. Bei jedem Vorfall kommen durchschnittlich 1,7 Personen ums Leben, so die Analyse.
Die schlimmsten Taten der deutschen Nachkriegsgeschichte bleiben Erfurt 2002 mit 16 Todesopfern und Winnenden 2009 mit 15 Opfern. Beide Täter waren ehemalige Schüler ihrer jeweiligen Schulen.
Gewalt an Schulen generell auf dem Vormarsch
Das «Deutsche Schulportal» meldet alarmierendere Zahlen zur allgemeinen Schulgewalt. Im Jahr 2024 registrierte die Polizei 28'760 Gewalttaten an deutschen Schulen.
Im Vergleich zu 2022 sei in allen Bundesländern ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Bremen verzeichnete mit 72,6 Prozent den höchsten Zuwachs innerhalb dieser zwei Jahre.
Warnsignale werden oft übersehen
Heinemann betont die Bedeutung von Prävention und Früherkennung bei der Verhinderung eines Amoklaufs. Warnsignale wie sozialer Rückzug oder Isolation gingen Amoktaten häufig voraus.
«Niemand wird als Amokläufer geboren», erklärt der Kriminologe dem «ZDF». Personen entwickelten sich in Richtung Amok, wenn sie den subjektiven Missstand als einzige Lösungsstrategie sähen.
Medienberichterstattung als Risikofaktor
Auch die Medienberichterstattung könne eine Rolle spielen, warnt Heinemann. Sie habe einen gewissen Einfluss darauf, ob Personen einen Amoklauf als Lösung wählten.

Die Berichterstattung könne entsprechende Fantasien triggern und zu Nachahmungstaten führen. Wenn ein grösserer Fokus auf einem Amoklauf liege, sei es wahrscheinlich, dass die Zahlen weiter zunehmen.
Bedrohungsmanagement fehlt in Deutschland
Ein grosses Manko sehe Heinemann beim Bedrohungsmanagement in Deutschland. Es gebe keine dezidierte Ausbildung, wie sich ein Amoklauf entwickele.
Zwar seien Beratungsangebote an Schulen häufig vorhanden, doch diese seien je nach Region sehr unterschiedlich. Die Prävention müsse dringend verbessert werden, fordert der Experte.
Kriminologe: Deutschland bleibt sicheres Land
Dietrich Oberwittler vom Max-Planck-Institut relativiert im Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»: Deutschland gehöre zu den sichersten Ländern der Welt. Spektakuläre Einzelfälle erzeugten immer eine kurzfristige Angst.
Die langfristigen Trends der Kriminalität seien in den vergangenen 20 bis 30 Jahren deutlich gesunken. Regelmässige Bevölkerungsbefragungen zeigten sogar, dass das Sicherheitsgefühl in Deutschland gestiegen sei.












