Emotionale Unreife: Wenn Erwachsene sich wie Kinder verhalten

Janine Karrasch
Janine Karrasch

Impulsiv, wenig empathisch und egoistisch: All das trifft auf emotional unreife Menschen zu. Wutanfälle und Tränenausbrüche sind vorprogrammiert.

wütender mann
Emotionale Unreife beschreibt einen Zustand, in dem eine erwachsene Person Schwierigkeiten hat, ihre Gefühle angemessen zu steuern und zu verstehen. - Depositphotos

Sie haben bestimmt schon einmal erlebt, wie ein erwachsener Mensch plötzlich einen Wutanfall bekommt, weil etwas nicht nach seinem Willen läuft. Oder Sie kennen jemanden, der niemals Fehler eingestehen kann und für den immer die anderen schuld sind.

Solche Verhaltensweisen sind typische Anzeichen für emotionale Unreife – ein Phänomen, das häufiger vorkommt, als man denkt.

Was ist emotionale Unreife? Gefühle ausser Rand und Band

Emotionale Unreife bedeutet im Grunde, dass jemand nicht gelernt hat, seine Gefühle wie ein Erwachsener zu handhaben. Diese Menschen reagieren in stressigen oder herausfordernden Situationen oft wie Kinder oder Teenager.

weinendes kind
«Du stellst dich an wie ein kleines Kind»: Der Satz trifft auf emotional unreife Erwachsene gut zu. - Depositphotos

Sie können ihre Emotionen nicht angemessen regulieren und belasten dadurch sowohl sich selbst als auch ihr Umfeld. Die Wurzeln dieser emotionalen Unreife liegen meist in der Kindheit.

Wer als Kind nicht die nötige emotionale Unterstützung erhalten hat oder sogar Missbrauch erlebt hat, entwickelt oft keine gesunden Bewältigungsstrategien. Das Gehirn lernt dann, mit schwierigen Situationen auf eine unreife Art umzugehen – und diese Muster setzen sich bis ins Erwachsenenalter fort.

Wenn Gefühle explodieren

Während emotional reife Erwachsene auch in stressigen Momenten die Fassung bewahren können, explodieren unreife Menschen regelrecht. Ein kleiner Anlass reicht aus, um eine völlig übertriebene Reaktion auszulösen.

Diese Menschen schwanken oft zwischen extremen Emotionen hin und her. Eben noch waren sie fröhlich und ausgelassen, im nächsten Moment sind sie wütend oder verzweifelt. Solche abrupten Stimmungswechsel machen es für das Umfeld schwer, vorherzusagen, wie die Person reagieren wird.

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«Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt»: Emotional unreife Menschen schwanken ständig zwischen ihren Gefühlen. - Depositphotos

Besonders problematisch wird es, wenn diese Menschen in Konfliktsituationen geraten: Anstatt ruhig zu diskutieren oder nach Lösungen zu suchen, greifen sie zu destruktiven Verhaltensweisen. Sie werden laut, beleidigend oder ziehen sich völlig zurück.

«Alles dreht sich um mich»

Emotional unreife Menschen leben in ihrer eigenen kleinen Welt, in der sie selbst der absolute Mittelpunkt sind. Sie haben grosse Schwierigkeiten dabei, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen.

Diese Personen hören zwar zu, aber nur so lange, bis sie eine Gelegenheit finden, das Thema wieder auf sich selbst zu lenken. Erzählt jemand von seinen Problemen, antworten sie meist mit einer Geschichte über sich selbst, anstatt Mitgefühl zu zeigen oder nachzufragen.

Dieser Selbstbezug zeigt sich auch in ihrem ständigen Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Bestätigung. Sie brauchen kontinuierlich positive Rückmeldungen von anderen, um sich gut zu fühlen.

Wo bleibt das Mitgefühl? Der erschreckende Mangel an Empathie

Eines der beunruhigendsten Merkmale emotional unreifer Menschen ist ihr Mangel an Empathie. Sie haben echte Schwierigkeiten dabei, sich in andere hineinzuversetzen und deren Gefühle nachzuvollziehen.

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Emotional unreife Menschen zeigen oft mangelnde Empathie und können sich schwer in die Gefühle anderer hineinversetzen. - Depositphotos

Diese fehlende Empathie zeigt sich besonders deutlich, wenn sie selbst jemanden verletzt haben. Anstatt Reue zu zeigen oder sich zu entschuldigen, reagieren sie defensiv und verstehen nicht, warum der andere so reagiert.

Das macht es praktisch unmöglich, mit ihnen tiefe, bedeutungsvolle Beziehungen aufzubauen. Echte Intimität entsteht nur, wenn beide Partner sich verstanden und gesehen fühlen.

Herausforderung Partnerschaft

Beziehungen mit emotional unreifen Menschen gleichen oft einer emotionalen Achterbahnfahrt. Meinungsverschiedenheiten eskalieren schnell zu grossen Dramen, bei denen am Ende niemand gewinnt.

Emotional unreife Menschen haben oft Angst vor echter Bindung und Verantwortung. Sie wollen die Vorteile einer Beziehung geniessen, aber nicht die damit verbundenen Pflichten übernehmen.

In extremen Fällen kann ihr Verhalten sogar manipulativ oder emotional missbräuchlich werden. Sie nutzen Schuldgefühle, Drohungen oder emotionale Erpressung, um ihren Willen durchzusetzen.

Schuld sind immer die anderen

Das vielleicht frustrierendste Verhalten emotional unreifer Menschen ist ihre absolute Weigerung, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. In ihrer Welt sind sie niemals schuld an irgendetwas – immer sind die Umstände, andere Menschen oder das Schicksal verantwortlich für ihre Probleme.

Diese Opferhaltung durchzieht ihr gesamtes Leben und macht persönliches Wachstum praktisch unmöglich. Wenn etwas schiefgeht, suchen sie sofort nach Sündenböcken.

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Unreife Erwachsene neigen dazu, Drama in Beziehungen zu erzeugen und setzen manchmal Manipulation oder emotionale Erpressung ein, um ihren Willen durchzusetzen. - Depositphotos

Sie verdrehen Situationen so lange, bis sie selbst als die Leidtragenden dastehen. Echte Entschuldigungen gibt es von ihnen nicht: höchstens ein «Es tut mir leid, dass du dich verletzt fühlst», was die Schuld wieder beim anderen ablegt.

Geht es auch anders?

Die gute Nachricht ist: Emotionale Reife kann auch im Erwachsenenalter noch entwickelt werden, aber es erfordert harte Arbeit und die ehrliche Bereitschaft zur Veränderung. Der erste Schritt ist die Entwicklung von Selbstbewusstsein – die Fähigkeit, das eigene Verhalten objektiv zu betrachten und dessen Auswirkungen auf andere zu verstehen.

Ein erfahrener Therapeut kann helfen, alte Verletzungen zu bearbeiten und neue, gesündere Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Wichtig ist auch die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen und Veränderungen im eigenen Verhalten vorzunehmen.

Das bedeutet, alte Gewohnheiten aufzugeben und neue Wege zu finden, mit Stress und Konflikten umzugehen. Dieser Prozess dauert oft Jahre und erfordert viel Geduld.

Kommentare

User #3044 (nicht angemeldet)

Beste Beispiele dafür findet man immer in der Rubrik Nau-People und auf der Welt-Bühne in den USA oder in Russland.

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