Der weltweite Lockdown hat Businessreisen nahezu zum Erliegen gebracht. Wir haben Experten gefragt, wie die Geschäftsreisewelt künftig aussehen könnte.
Sicht aus einem Flugzeug
Viele Geschäftsreisende sind auf den Flugverkehr angewiesen. - Ramon Kagie / Unsplash
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Das Wichtigste in Kürze

  • Businessreisen gibt es zur Zeit so gut wie keine.
  • Aus den jetzigen Erfahrungen werden Unternehmen auch künftig Rückschlüsse ziehen.
  • Experten rechnen mit einer wachsenden Bedeutung von Kommunikation und Hygienemassnahmen.

Keine Messen, keine Kongresse, keine Geschäftsessen: Gründe, um sich auf Geschäftsreise zu begeben, gibt es derzeit wenige. Nicht vorhandene internationale Verbindungen und geschlossene Grenzen weltweit tun ihr Übriges zu einem bis vor kurzem völlig unvorstellbaren Szenario: Businessreisen gibt es so gut wie keine.

Welche Veränderungen wird dies nach sich ziehen? Darüber machen sich Branchenexperten bereits jetzt Gedanken.

Kosten einsparen mit digitale Alternativen

So etwa Christoph Carnier, Präsident des VDR (Verband Deutsches Reisemanagement): «Momentan sind wir gezwungen, digitale Alternativen zum persönlichen Austausch auszuprobieren. Was geht online gut, welche Termine kann man über digitale Tools wahrnehmen . Und wo ist es notwendig, von Angesicht zu Angesicht zusammenzusitzen.»

Aus dieser Erfahrung werde man bei den Unternehmen sicherlich Rückschlüsse ziehen, nicht zuletzt, um Reisekosten zu sparen. Vor allem bei internationalen Unternehmen mit Mitarbeitenden im Ausland werde man aber sicherlich feststellen, dass ein persönlicher Austausch mindestens einmal im Jahr notwendig sei.

Ein Geschäftsabschluss oder das Führen eines Teams hält Carnier auf digitalem Wege für problematisch. «Aber die Frequenz der Reisen ist künftig vielleicht nicht mehr so hoch wie vor der Krise.»

Kommunikation gewinnt an Bedeutung

Das Thema Kommunikation wird weiter an Bedeutung gewinnen, da sind sich die Experten einig.

«Geschäftsreisende werden mehr als bisher auf aktive und zeitnahe Informationen ihres Geschäftsreisebüros achten», ist Andreas Schneider überzeugt. Als Head of Business Travel bei DER Touristik Suisse vertritt er in der Schweiz die Marke Kuoni Business Travel. Er ist sich sicher, dass Firmen und Reisende künftig wieder verstärkt auf den persönlichen Service setzen werden. «Direktbuchungen über Airline-Seiten und Online-Buchungsportale werden nach den in der Krise gemachten Erfahrungen sicher rückläufig sein.»

Mann am Flughafen.
Mann wartet am Flughafen. - Unsplash

Auch das Thema Travel Risk Management wird Schneider zufolge einen höheren Stellenwert bekommen. Konkret: Unternehmen sind stets informiert, wer sich wo aufhält, wer wann wie auf Reisen ist und verbinden das Ganze mit einem persönlichen 24/7-Service, Apps und weiteren Tools zur Unterstützung von Geschäftsreisenden.

Gesundheitskits und CO2-Effizienz

«Zu den Security-Themen kommen künftig vermutlich vermehrt Gesundheitsthemen hinzu», prognostiziert VDR-Präsident Carnier. Denkbar wäre für ihn sogar ein Gesundheitskit, zu dem in der Nach-Corona-Welt allenfalls auch Handschuhe, Maske und Desinfektionsmittel gehören könnten. Anbieter wie Airlines, Autovermieter oder Hotels seien aufgefordert zu kommunizieren, wie sie ihre Verkehrsmittel oder ihre Räume sauber halten.

Ein vor der Krise omnipräsentes Thema bekommt nun auf ganz andere Weise neue Brisanz: die Nachhaltigkeit bzw. CO2-Effizienz. Nicht nur weil die Flieger am Boden sind und somit keine Treibhausgase ausstossen. Luftfahrtkonzerne verkleinern ihre Flotten und rangieren als Erstes ältere, ineffizientere Maschinen aus. Auch so wird künftig Treibstoff gespart.

«Und», so gibt Christoph Carnier zu bedenken, «vielleicht werden manche Strecken erst einmal gar nicht mehr bedient, weil sie ineffizient sind oder es vielleicht bereits waren.»

Anhaltende Einschränkungen und Nachholbedarf

Einreisebeschränkungen werden noch lange Zeit Auswirkungen auf das Reisen haben. «Wir erwarten aber, dass die Nachfrage im Geschäftsreisesegment relativ schnell zurückkommt und auch ein Nachholbedarf besteht», sagt Tony Seifarth, Head of Sales DACH von Cathay Pacific. Die Airline befördert ab Zürich normalerweise einen grossen Anteil Businessreisender nach Hongkong und an weitere internationale Ziele.

Gerade bei den Geschäftsreisenden spiele aber eine transparente Kommunikation auf sachlicher und pragmatischer Ebene eine wesentliche Rolle. Themen wie Hygiene und Sitzabstand könnten noch länger zentral bleiben, heisst es bei Cathay Pacific.

Flugzeug.
Noch sind die Auswirkungen auf den Flugverkehr ungewiss. - Unsplash

Ob die neu erworbenen digitalen Kompetenzen die Geschäftsreisetätigkeit langfristig verkleinern, kann niemand voraussagen. Tony Seifarth von Cathay Pacific berichtet aus der Erfahrung zu Zeiten von SARS in Asien allerdings, dass diese Erwartung damals nicht eingetreten sei. «Allerdings waren die technischen Voraussetzungen nicht so gut wie heute.»

Technik kann nicht alles ersetzen

Andreas Schneider von Kuoni Business Travel ist sich sicher, dass es mittelfristig nicht weniger internationale Reisen geben wird. Dies, auch wenn die Technik das eine oder andere persönliche Meeting ersetzen oder ergänzen werde. Doch durch die zeitversetzten Einreisesperren und geänderten Ländervorschriften werde das Wiederanfahren der globalen Reisewirtschaft sicher das gesamte zweite Halbjahr 2020 dauern.

Und Christoph Carnier gibt zu bedenken: «Wenn die Welt stillsteht, funktioniert unser Wirtschaftssystem nicht mehr.» In der heutigen Zeit sei es notwendig, sich zu bewegen. Die Wirtschaftskraft des globalen Travels sei gigantisch.

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