Per Du mit der Dampfbahn Furka
Spektakuläres Gemächlichkeitserlebnis: Unterwegs auf der Dampfbahn-Furka-Bergstrecke, wo jeder Meter eine Hymne auf Geduld, Nostalgie und Freiwilligkeit ist.

Das Wichtigste in Kürze
- Die 18 Kilometer der Bergstrecke sind ein spektakuläres Sommererlebnis.
- Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h geht es durch die Alpenwelt.
- Viel freiwilliges Engagement macht die Fahrt erst möglich.
Nebel liegt in der Walliser Luft – gemacht hat diesen aber nicht das Wetter, sondern der Heizkessel.
Der kohl(en)rabenschwarze Koloss steht am Bahnhof Realp bereit und glänzt in der Sonne wie die Stirn jener freiwilligen Helfer, welche die über 100-jährige Lok in frühen Stunden mit Schaufel, Kohle und Wasser fahrbereit gemacht haben.

Eine Schwade, ein Pfiff – und der Antriebsarm der Dampflok hebt sich, senkt sich, schiebt, zieht und schlägt zurück. Immer schneller. Mit dem Takt von «Tschuff-klack, Tschuff-klack» beginnt die Tour über die ehemalige Glacier-Bergstrecke, bei welcher die Berge im Sommertenü scheinbar Spalier stehen.
Entschleunigung und Engagement
«Mami, Papi, da habt ihr aber eine schöne Strecke ausgesucht», sagt der Kiek-in-die-Welt, dessen Nasenspitze beinahe die Fensterscheibe küsst. Der Kleine hatte befürchtet, die Zugfahrt würde «langweilig, wie immer» sein.
Weit gefehlt: Vor den Scheiben bietet sich ein Spektakel, über 18 Kilometer durch wilde Schluchten, so nahe an am Felsen, dass man meint, die prächtig blühenden Alpenrosen durch das geöffnete Fenster pflücken zu können.

Manche Loks hatten schon in ganz anderen Gefilden gefaucht: Im südvietnamesischen Hochland rosteten sie nach dem Kriegsende jahrelang vor sich hin, bis eine Delegation der DFB diese hinsichtlich der geplanten Wiederherstellung der Furka-Bergstrecke zurück in die Schweiz holte und sie aufwendig restaurierte.
Der Kontrast zu modernen Zügen ist gerade auf den kühnen Schienen-Serpentinen Richtung Station Furka deutlich: Inmitten dieser dampfenden Rebellion gegen Hyper-Hightech beginnt man zu verstehen, wie entschleunigend Russromantik ist – der Zug zuckelt mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Genau richtig in der Zeit, genau richtig im Tempo.
Hier hätte Goethe die Muse geküsst
Die Hast hat man am Bahnhof stehengelassen wie einen alten Koffer, dem man sich eh entledigen wollte. So einmalig das Erlebnis, so eindrücklich die Tatsache, dass sich der junge Lokführer, die Männer, die auf der Furka die Lok drehen, der Zugwärter, der mit einer antiken Laterne in der Hand Anekdoten erzählt, freiwillig und unentgeltlich engagieren.

Nach der Ankunft in Gletsch, das 1850 dank zweier Hoteleröffnungen zur Tourismus-Pioniergemeinde avancierte, ist man vor lauter Nostalgie und Natur so übermütig, dass man Goethe als «töricht» bezeichnet, ohne mit der Wimper zu zucken:
Er schrieb über seine Durchreise in Gletsch 1779 von der «ödesten Gegend der Welt, und in einer einförmigen Gebirgswüste». Wäre die Dampfbahn Furka damals schon verkehrt, hätte ihn bestimmt die Muse geküsst – oder ihm Dampf gemacht.
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Artikel von Tourismus Lifestyle Verlag, Daniela Dambach