Laut der OECD könnte eine mässige Verschreibung von Antibiotika zusammen mit gezielten Aufklärungskampagnen das Leben vieler Menschen retten.
Eine Labormitarbeiterin hält eine Indikatorkulturplatte zum Nachweis von resistenten Bakterien in der Hand.
Eine Labormitarbeiterin hält eine Indikatorkulturplatte zum Nachweis von resistenten Bakterien in der Hand. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der Anteil der Antibiotikaresistenzen lag 2015 im OECD-Schnitt bei 17 Prozent.
  • In der Türkei, Südkorea und Griechenland waren es sogar 35 Prozent.

Das Arsenal ist ausgereizt: Ohne gezielte Massnahmen gegen Antibiotikaresistenzen könnten bis 2050 rund 2,4 Millionen Menschen in Europa, Nordamerika und Australien durch multiresistente Bakterien sterben, wie aus einem heute Mittwoch veröffentlichten Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht. Schon eine einfache Strategie wie eine verbesserte Hygiene, eine mässige Verschreibung von Antibiotika und Aufklärungskampagnen könnten viele Menschenleben retten.

Der Anteil der Antibiotikaresistenzen lag 2015 im OECD-Schnitt bei 17 Prozent. In Deutschland lag die Resistenzrate mit zehn Prozent deutlich darunter, sie könnte in den kommenden Jahren aber wieder steigen. Jedes Jahr sterben in Deutschland demnach im Durchschnitt geschätzt 2180 Menschen an Infektionen mit resistenten Erregern.

Resistenzraten bei 35 Prozent

Auch insgesamt unterscheiden sich die Resistenzraten unter den Ländern: In der Türkei, Südkorea und Griechenland waren die durchschnittlichen Resistenzraten mit 35 Prozent siebenmal so hoch wie in Island, den Niederlanden und Norwegen mit rund fünf Prozent. In einigen G20-Staaten wie China, Indien und Russland werden sogar mehr als 40 Prozent der Infektionen von Bakterien verursacht, gegen die bestimmte Antibiotika nicht wirken.

Durch ein Paket von Massnahmen könnten in den von der OECD-Analyse erfassten 33 Ländern bis 2050 fast 1,6 Millionen Menschenleben gerettet werden. Dazu zählen unter anderem eine bessere Krankenhaushygiene, die Förderung des Händewaschens, eine zurückhaltende Verschreibung von Antibiotika und Schnelldiagnosetests zur Klärung, ob es sich um eine bakterielle oder Virusinfektion handelt. Denn Antibiotika helfen nur gegen Bakterien.

«Resistenz wird weiter zunehmen»

Dies würde nach OECD-Berechnungen letztlich zu Einsparungen in Höhe von 4,8 Milliarden Dollar (4,78 Milliarden Franken) führen – und nur gut zwei Dollar (zwei Franken) pro Kopf und Jahr kosten. «Gegen bestimmte Antibiotika resistente Bakterien sind für beinahe ein Fünftel aller Infektionen in OECD-Ländern und den 28 Mitgliedstaaten der EU verantwortlich», heisst es in dem Bericht. «Die Resistenz wird weiter zunehmen, wenn wir nicht einschreiten.»

Zwar scheint sich der Anstieg von Antibiotikaresistenzen im Schnitt zu verlangsamen. Es gibt laut OECD aber weiter Anlass zur Sorge, weil selbst Reserveantibiotika als letzte Behandlungsoption nicht immer wirken.

Erst am Dienstag hatten Forscher in einer Studie im Fachblatt «The Lancet Infectious Diseases» berichtet, dass 2015 in der EU mehr als 33'000 Menschen an einer Infektion mit resistenten Bakterien starben. Antibiotikaresistente Bakterien seien damit eine ebenso tödliche Gefahr wie die Grippe, Tuberkulose und HIV zusammengenommen.

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