Wir alle tun’s. Manchmal auch scheinbar automatisch, wenn wir einen anderen dabei beobachten: Gähnen. Warum ist diese Handlung ansteckend?
Zwei Personen gähnen.
Wenn man jemand anderen beim Gähnen beobachtet, muss man oft mitgähnen. - Depositphotos

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Forschung beschäftigt sich schon länger mit dem Thema «ansteckendes Gähnen».
  • Mit dem Phänomen sind offenbar körperliche Handlungen und soziale Interaktionen verbunden.
  • Empathie scheint eine grosse Rolle zu spielen.
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Es passiert am Abend, manchmal auch nach dem Aufwachen oder bei Langeweile: Wir gähnen. Eine ganz alltägliche Handlung, die oft unbewusst geschieht. Nur – warum veranlasst Gähnen andere, die es beobachten, oft ebenfalls zu dieser Reflexreaktion?

Mitgähnen, weil man jemanden mag

Das Phänomen des ansteckenden Gähnens fasziniert Wissenschaftler schon seit Langem. Studien zeigen, dass das Gähnen eines Menschen die Eigenschaft aufweist, andere in seiner Umgebung ebenfalls zum Gähnen zu bringen. Es scheint also sozial ansteckend zu sein.

Paar gähnt im Bett.
Beim Miteinander-Gähnen spielt Müdigkeit offenbar keine grosse Rolle. - Depositphotos

Eine mögliche Erklärung dafür, dass Gähnen «ansteckend» ist, liegt in der Empathie. Menschen sind soziale Wesen und neigen dazu, die Emotionen und Handlungen anderer zu spiegeln. Wenn wir jemanden gähnen sehen, aktiviert das eine Art Spiegelneuronen in unserem Gehirn. Sie veranlassen uns dazu, das gleiche Verhalten zu zeigen.

Ausserdem scheint die emotionale Nähe zwischen Personen dabei eine grosse Rolle zu spielen. Je stärker wir uns mit jemandem, der gähnt, verbunden fühlen, desto wahrscheinlicher ist es, dass dessen Gähnen auf uns überspringt. Das sind die Ergebnisse einer Studie an der Universität Pisa aus dem Jahr 2011 unter 109 Probanden.

Übrigens spricht für diese Theorie auch, dass Gähnen bei Kindern erst ab etwa vier Jahren ansteckend ist. Ungefähr in diesem Alter prägt sich die Fähigkeit zur Empathie aus.

Personen am Arbeitsplatz gähnen.
Ansteckendes Gähnen ist auf jeden Fall ein soziales Phänomen. - Depositphotos

Interessant ausserdem: Zwar sagt man Frauen oft eine höhere Empathie nach. Aber in der Untersuchung zeigte sich, dass beim Phänomen ansteckendes Gähnen Geschlecht oder Nationalität nicht wirklich von Bedeutung sind.

Vorsicht, bitte nicht einschlafen!

Ein weiterer, sozialer Aspekt beim ansteckenden Gähnen scheint das Thema Sicherheit zu sein. Eine Studie des Evolutionsbiologen Andrew Gallup von der State University of New York folgert nach Untersuchungen:

Das sogenannte «Mimikry-Gähnen» könnte dazu dienen, die Aufmerksamkeit und die Alarmbereitschaft einer Gruppe zu erhöhen. Und zwar, indem es das Verhalten in einer Gruppe synchronisiert und Individuen auf mögliche Veränderungen vorbereitet.

Gemeinsames Gähnen kann als Weckruf dienen, um die Schläfrigkeit von Individuen zu kompensieren. Dieses Verhalten ist nicht nur ein Zeichen kollektiver Müdigkeit. Die Synchronisation kann dazu beitragen, die Wachsamkeit der Gruppe zu steigern und dass sie als Ganzes schneller auf Bedrohungen reagiert.

Das zeigten Experimente, in denen Personen nach dem Betrachten von Gähnvideos schneller bedrohliche Stimuli identifizierten.

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