Warum darf eine Frau nicht einfach «Single» sein?
Man könne es den Wächtern der hergebrachten Normen nie recht machen, schreibt Kolumnistin Verena Brunschweiger. Warum nicht einfach Single sein?

Das Wichtigste in Kürze
- Dr. Verena E. Brunschweiger schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen.
- Sie findet, dass ein Beziehungsstatus bei Frauen keine so wichtige Rolle spielen dürfe.
Single-Frauen kennen es in besonderem Mass: Wohlmeinende Bekannte, Nachbarn oder Familienmitglieder, die es nicht ertragen können, wenn eine Frau ihres Umfelds nicht in einer Beziehung ist.
Es gibt denn auch zahlreiche starke Parallelen zwischen den ach so gut gemeinten, sanften oder bisweilen auch rabiateren Aktionen der genannten Gruppen, Frauen in die gewünschte Richtung zu schubsen. Sei es nun eine feste heterosexuelle Beziehung, Mutterschaft oder im besten Fall beides.
Gewusst? In North Carolina wurde die Langzeitstudie «Women Who Never Had Children» durchgeführt. Frauen, die früh angaben, keine Kinder zu wollen, blieben tatsächlich in den allermeisten Fällen auch wirklich kinderfrei.
Soviel zu dem Gemeinplatz, der vor allem Frauen in den Zwanzigern immer wieder entgegenschallt: «Du wirst deine Meinung schon noch ändern», heisst es. Nein, und das ist auch gut so!
Die Autorin Bella DePaulo bestätigt: Was die breite Masse macht, werde unterstützt. Es gibt zahllose Förderprogramme und Gesetze, die allesamt ausschliesslich Familien mit Kindern zugutekommen.
DePaulo zieht interessante Parallelen zu dem Kampf um die gleichgeschlechtliche Ehe. Und merkt ausserdem an, dass es selbst in Betrieben, die sich auf ihre Anti-Diskriminierungs-Politik viel einbilden, oft zu herablassender Behandlung von Singles kommt. Das gilt zwar in diesem Fall für die USA, ist bei uns aber oft ähnlich zu beobachten.
Diskriminierungen von Single-Frauen
Was DePaulo anführt, ist eine bunte Vielzahl leichter bis starker Diskriminierungen von Single-Frauen.
Beispielsweise die bekannte Benachteiligung beim «Feriennehmen». Aber auch (und da ist das Englische besonders grausam) das «fixing up» von Singles durch wohlmeinende Hobby-Kuppler:innen in der Arbeit. Als wären die Singles «gebrochen» – und hätten das «Repariertwerden» irgendwie dringend nötig.

Auch das «Übergangen werden» bei einem «Nur-Paare»-Event ist zwar vielleicht nur eine Demütigung, die federleicht ist. Aber, so schreibt DePaulo, ergibt eine Tonne Federn irgendwann halt auch ein ziemliches Gewicht.
«Heiraten und Kinder kriegen»
Die Verfechter der konservativen Norm-Biographie scheinen zudem nicht zu bemerken, dass es immer häufiger Vermischungen gibt, da ja immer mehr Single-Frauen Kinder haben. Und etliche verheiratete Frauen kinderfrei bleiben.
Dabei wurde ihnen doch eingebläut, in den USA wie bei uns: «Get married, have kids.» Das sei der normale Weg. So werde es traditionell gemacht. Und so soll es auch weitergehen bis in alle Ewigkeit.
Dass manche Frauen zwar das eine wollen, das andere aber nicht, wird von konventionellen Leuten schon als Widerspruch empfunden.
Warum bist du (nicht) verheiratet?
Persönlich wurde ich beispielsweise auch schon mehrmals gefragt, warum ich verheiratet sei. Als wäre so etwas nur erlaubt, wenn man sich auch reproduzieren möchte.
Umgekehrt werden Single-Frauen mit Kind oft mit der Frage genervt, warum sie nicht verheiratet wären.
Man kann es den Wächtern der hergebrachten Normen nie recht machen. Ausser, man passt sich kritiklos an ihre starren Regeln und Vorschriften an. Dass es Personen (und auch noch weibliche) gibt, die diese Normen herausfordern, gar sprengen wollen – das geht natürlich nicht!
Verlogenheit in der Politik
Die Politik unterstützt solche Leute, weil sie die Mehrheit sind. Und man will ja (wieder)gewählt werden. Porträts von (nicht nur) Lokalpolitikern lesen sich oft so. Alter: 43 Jahre. Familienstand: verheiratet und zwei Kinder. Danach erst kommt der Fliesstext.
Die Message ist: Ein braver Familienvater, den kann man doch per se schon mal ankreuzen, oder? Da hat es ein Single-Kandidat ungleich schwerer. Selbst wenn der Kontrahent nicht seine gesamte Familie instrumentalisiert und herzergreifende Fotos an Laternenpfosten kleben lässt.
Die meisten Single-Frauen geben übrigens an, dass ihr Leben erfüllt ist. Und dass ihr cooler Job, ihre Freunde und ihre Hobbys ausreichend viel bieten. Für «Mr. Durchschnittlich» bleibt da schlichtweg nicht nur keine Zeit, sondern die berechtigte Frage, warum man sich das überhaupt aufbürden soll. Gerade in einer Zeit, in der eine interessante Arbeit oft bedeutet, reisen zu müssen.

Allein lebende Frauen-Singles glücklicher
Fernbeziehungen sind anstrengend und ein hoher organisatorischer Aufwand, den sich nicht alle antun wollen. Das gilt es zu respektieren.
Diesen Frauen wird ausserdem natürlich Angst gemacht, indem man ihnen ein Alter in Einsamkeit in Aussicht stellt. Aber gerade englische Studien widerlegten diese Vision schon vor mehr als zehn Jahren.
Über 60-Jährige wurden befragt und es zeigte sich, dass die allein lebenden Singles glücklicher waren als jene Frauen, die mit einem Partner zusammenlebten.
Zur Autorin
Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.








