Bürokratie-Schande! Beauty-Kolumnistin kämpft für ausländische Ärzte
Tausende Ärzte warten auf ihr Facharzttitel-Zertifikat. Wir haben kein Fachkräfteproblem, sondern ein Strukturproblem, findet Alexandra Lüönd.

Das Wichtigste in Kürze
- Alexandra Lüönd schreibt eine monatliche Kolumne über Beauty-Themen.
- Heute schreibt sie über zu viel Bürokratie in unserem Gesundheitssystem.
- Lüönd ist Gründerin der Beauty2Go-Kliniken.
Wir leben in einem der reichsten und angeblich bestorganisierten Länder der Welt. Der Zustand unseres Gesundheitssystems macht mich aber fassungslos.
Der Grund: Über 3000 Ärztinnen und Ärzte warten aktuell auf ihr Facharzttitel-Zertifikat – oder die Anerkennung ihres Diploms. Ein Dokument, das sie zwingend brauchen, um eine Praxis zu eröffnen oder eine leitende Stelle in einem Spital anzutreten.
Früher dauerte die Ausstellung zwei oder drei Monate. Heute sind es zwölf Monate.
Mietverträge laufen, Löhne müssen bezahlt werden
Ein ganzes Jahr, in dem diese Menschen – nach über zehn Jahren Ausbildung oder jahrzehntelanger Berufserfahrung im Ausland – nicht arbeiten dürfen. In dieser Zeit stehen die Praxen leer und Mietverträge laufen weiter. Es müssen Löhne bezahlt werden, ohne dass jemand behandeln darf.
Das ist jetzt nach jahrelanger Fachkräftemangel-Diskussion keine Bagatelle mehr. Das ist für mich eine Schande!

Chaotische Strukturen lähmen Bürokratie
Verantwortlich dafür ist ein Unwort, das in der Schweiz viel zu oft alles lähmt: Bürokratie!
Das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF), zuständig für die Titelvergabe, ist dabei komplett überfordert. Es hat offensichtlich zu wenig Personal, zu viel Papier und zu wenig Digitalisierung.
Zudem kommen Burnouts, Kündigungen und chaotische Strukturen. Den Glauben an Besserung habe ich langsam verloren, obwohl es zu personellen Abgängen gekommen ist.
Volkswirtschaftlicher Schaden
Ich weiss als Unternehmerin im medizinischen Bereich, wie absurd das alles klingt. Wir reden seit Jahren über Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Wir wissen, dass wir zu wenige Ärztinnen und Ärzte ausbilden – und gleichzeitig jene, die schon da sind, systematisch ausbremsen.
Dass selbst erfahrene Fachärzte aus dem Ausland heute ein Jahr warten, bis sie in der Schweiz überhaupt arbeiten dürfen. Das alles ist so grotesk – und verursacht volkswirtschaftlich einen riesigen Schaden.
«Wir stossen an die Grenzen»
Auch in meinem Unternehmen in der Beauty-Branche spüren wir, wie schwer es geworden ist, gute Ärztinnen und Ärzte zu finden. Wir investieren enorm in Ausbildung, Arbeitskultur und Entwicklung.
Und trotzdem stossen wir an Grenzen, wenn das System an anderer Stelle versagt.
Mit über 50'000 behandelten Patientinnen und Patienten, einer herausragenden Google-Bewertung von 4,8/5 Sternen und höchsten medizinischen Standards sind wir auf Wachstumskurs. Doch selbst uns trifft der Fachkräftemangel.
Wie kann ein Land, das stolz auf Innovation, Präzision und Qualität ist, solche Prozesse zulassen? Wie kann man jahrelang über Digitalisierung reden – und gleichzeitig ein Jahr brauchen, um ein PDF auszustellen?
Wir haben ein Strukturproblem
Ich sage es offen: Die Schweiz hat kein Fachkräfteproblem, sie hat ein Strukturproblem. Meine Forderungen sind klar: Es braucht erstens eine schnellere Anerkennungs- und Zulassungsverfahren. Zweitens eine bessere Unterstützung für internationale Fachkräfte. Und drittens ein System, das konstante Leistung ermöglicht, ohne die Menschen dahinter zu brechen.

Ja, bei mir im Unternehmen sind wir privilegiert. Unser Arbeitsklima ist top, unsere Mitarbeitenden sind gesund und zufrieden. Doch selbst wir spüren den Druck. Bei uns ist es fünf vor zwölf. Für viele andere ist's bereits fünf nach zwölf.
Patienten bezahlen den Preis
Denn: Jede Ärztin und jeder Arzt, die frustriert aufgeben, sind eine(r) zu viel. Und jede Patientin, die dadurch länger auf Behandlung warten muss, bezahlt den Preis für unser Zögern.
Wenn ein Land wie die Schweiz es nicht schafft, seinem medizinischen Nachwuchs und erfahrenen Fachkräften aus dem Ausland die Arbeit zu ermöglichen, dann stimmt etwas grundsätzlich nicht. Und das dürfen wir nicht länger schönreden.
Zur Autorin: Alexandra Lüönd ist eine führende Unternehmerin im Beauty- und Medical-Retail. Als Gründerin der Beauty2Go-Kliniken sowie «Brows & Brows» schuf sie die grössten Ästhetik-Ketten in der Schweiz. Mit «Brows & Brows» revolutioniert sie die PMU-Branche. Die 38-Jährige schreibt regelmässig Kolumnen für Nau.ch.








