Der Niedergang der Finanzen der Credit Suisse wirkt sich negativ auf das Vertrauen ins Bankwesen aus. Stephan Lehmann-Maldonado schätzt im Nau.ch-Interview ein.
Finanzen Credit Suisse
Finanzen: Die Credit Suisse, hier die Niederlassung in Luzern. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Credit Suisse-Kollaps schadet der Schweizer Wirtschaft.
  • Im Interview schätzt Finanz-Experte Stephan Lehmann-Maldonado die Situation ein.
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Der Niedergang der Credit Suisse hat das Vertrauen der Menschen ins Schweizer Bankenwesen stark geschwächt. Finanz-Experte Stephan Lehmann-Maldonado schätzt für Nau.ch die Situation ein.

Nau.ch: Was sind die Gefahren eines Bankenriesen?

Stephan Lehmann-Maldonado: Je grösser eine Bank, desto dramatischer wirkt es sich aus, wenn sie zahlungsunfähig wird. Dabei hat es schon schwerwiegende Folgen, wenn eine kleine Bank bankrott geht. Die Pleite der Spar- und Leihkasse Thun 1991 traf die Sparenden sowie die Unternehmen in der Region mit voller Wucht.

Eine grosse Bank ist aber nicht automatisch mit grossen Risiken gleichzusetzen. Es kommt auf die Art der Geschäfte an, die eine Bank tätigt. In der Praxis neigen grosse Banken leider oft dazu, grössere Risiken einzugehen – weil sie sich davon höhere Gewinnchancen versprechen.

Nau.ch: Wo ist unser Geld noch sicher?

Stephan Lehmann-Maldonado: Wir müssen keine Angst haben, wenn wir unser Erspartes auf eine Schweizer Bank bringen. Eine andere Frage ist: Wie sicher ist Geld grundsätzlich? Oft sind wir es uns nicht bewusst, dass die Kaufkraft von US-Dollar, Euro und sogar Schweizer Franken langfristig abnimmt.

Je höher die Inflation, desto schneller findet die Geldentwertung statt. Wer viel auf der hohen Kante hat, sollte darum seine freien Mittel in solide Anlagen investieren. Der Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass Gold und Silber ihren Wert über Jahrtausende behalten haben. Obgleich die Preise dieser Edelmetalle kurzfristig ebenfalls schwanken.

Weil letztlich keine Anlage völlig Sicherheit gewährt, lautet die goldene Finanz-Regel: «Lege nicht alle Eier in einen Korb.»

Nau.ch: Was sind die Vorteile und Nachteile einer solch grossen Bank?

Stephan Lehmann-Maldonado: Grösse hat immer einen Preis: Ein Tanker ist nicht so wendig, wie ein kleines Schnellboot. Und in Grosskonzernen weiss eine Hand oft nicht, was die andere tut.

Hinzu kommt, dass eine Mega-Bank ein Klumpenrisiko darstellt. Die gute Nachricht ist aber: Die «neue» UBS ist keine «Monsterbank». Vor der Bankenkrise von 2008 brachte UBS mehr Gewicht auf die Waage als jetzt zusammen mit der Credit Suisse.

Finanzen Stephan Lehmann-Maldonado
Stephan Lehmann-Maldonado schreibt auf Nau.ch regelmässig zum Thema Finanzen. - zVg

Weltweit gibt es viele Banken, die deutlich grösser sind. UBS ist für die Schweiz nur eine grosse Nummer, weil ihre Bilanzsumme doppelt so gross ist wie das BIP. Die kleine Schweiz zeichnet sich aber auch durch viele internationale Unternehmen aus. Für diese ist es von Vorteil, auf eine international tätige Bank wie UBS zählen zu können.

Darüber hinaus hilft die Grösse einer Bank, ihre Effizienz und somit ihre Margen zu steigern. Viele kleine Banken haben sich in den letzten Jahren von grösseren aufkaufen lassen. Dies, weil sie sich die nötige Technologie und den internen Rechtsapparat nicht mehr leisten konnten.

Aus diesem Grund sagte UBS-Chef Sergio Ermotti: Es gäbe nicht nur ein «too big to fail», sondern auch ein «too small to survive».

Nau.ch: Sollte man zukünftig ein staatliches Finanzinstitut bevorzugen?

Stephan Lehmann-Maldonado: Die meisten Kantonalbanken verfügen tatsächlich über einen Wettbewerbsvorteil – die Staatsgarantie. Darüber hinaus geniessen viele Kantonalbanken noch Steuerprivilegien, was ihre Rentabilität steigert. Solange eine Kantonalbank in der Gewinnzone operiert, profitiert der Kanton.

Aber sollte ein Institut mit Staatsgarantie zahlungsunfähig werden, müsste der Kanton einspringen. Das würde die Finanzkraft mancher Kantone sprengen und die Steuerzahlenden teuer zu stehen kommen. Manche Kantonalbank ist für den Kanton ebenso zu gross wie die UBS für die Schweiz.

Die Nationalbank zeigt notabene, dass sich auch Staatsinstitute verspekulieren können. Ob eine Bank gut geführt ist oder nicht, ist keine Frage von privat oder staatlich.

Haben Sie noch Vertrauen in die Schweizer Wirtschaft?

Nau.ch: Was halten Sie vom tiefen Übernahmepreis der Credit Suisse?

Stephan Lehmann-Maldonado: Ich hatte bei der Credit Suisse auf einen Turnaround gewettet. Deshalb hatte ich mich mit einigen Aktien eingedeckt, als diese im Keller waren. Umso mehr schockierte mich der tiefe Kaufpreis von 3 Milliarden Franken im ersten Moment. Das ist weniger, als die Luzerner Kantonalbank an der Börse kosten würde!

Dabei bestätigte die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma bis kurz zuvor, dass die Credit Suisse bezüglich Eigenkapital und Liquidität ausreichend ausgestattet sei. Und gemäss den Büchern sollte die Bank weiterhin über 40 Milliarden wert sein.

Je mehr Details über die Credit Suisse seither ans Licht gekommen sind, desto verständlicher scheint mir jedoch der Deal. Jetzt sollten wir vorwärtsschauen: Im besten Fall könnte die UBS ihre Position als Marktführer in der Vermögensverwaltung ausbauen. Somit könnte sie sich aus dem riskanten Investment Banking.

Dieses Szenario wäre für die ganze Schweiz wünschenswert, denn von einem starken Finanzplatz profitieren alle.

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Zum Interviewpartner:

Stephan Lehmann-Maldonado bringt zwei seiner Steckenpferde zusammen: Die Faszination fürs Wirtschaftsgeschehen und jene für klare Kommunikation. Schon während seines Finance-Studiums an der Universität Zürich hat er für Wirtschaftsmedien geschrieben.

Später hat er sein Wissen in der Bankpraxis und beim Unterrichten von Lernenden vertieft. Heute führt er eine kleine Kommunikationsagentur.

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