Senioren konsumieren am häufigsten Schlafmittel und das über gefährlich lange Zeit. Suchtberater warnen – besonders gefährdet sind nämlich Frauen.
Schlafmittel Senioren
Älteren Frauen ab 65 Jahren werden deutlich häufiger Schlafmittel verschrieben als Männern. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Jede fünfte Schweizer Person über 65 nimmt Schlaf- und Beruhigungsmittel zu sich.
  • Besonders hoch sind der Konsum und die Sucht bei älteren Frauen.
  • Suchtberater sehen das Problem unter anderem in genderspezifischen Behandlungsmethoden.

Die Zahlen sind beunruhigend: Jeder fünfte Rentner in der Schweiz konsumiert Schlaf- und Beruhigungsmittel. Zu hoch ist der Konsum in vielen Fällen, warnt eine neue Studie im Auftrag des Swiss Medical Board.

Besonders auffällig: Frauen nehmen fast doppelt so viele verschriebene Benzodiazepine ein, welche bei Schlafstörungen oder Angstzuständen schnell wirken. Doch sie machen auch schnell abhängig.

Schmerzmittel
Die Tabelle zeigt die Entwicklung des Gebrauchs von Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmitteln in der Schweizer Bevölkerung zwischen 1992 und 2007. - Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA)

Länger als drei bis vier Wochen sollten die Medikamente nicht eingenommen werden. Doch 40 Prozent der über 65-Jährigen erhielten die Schlafmittel gemäss Studie länger als drei Monate! Mit dem steigenden Konsum steigt auch das Sucht-Potential.

Stärkere Belastung im Alter führt zu Schlafmittel-Sucht

Dementsprechend beunruhigt zeigt sich Sucht Schweiz. «Für Personen, die mehr als 65 Jahre alt sind, bergen Benzodiazepine grössere Risiken als für jüngere Personen», warnt Monique Portner-Helfer.

Senioren
Konsumieren Senioren über längeren Zeitraum Schlafmittel, steigt die Gefahr von Stürzen oder Verwirrtheit. - Keystone

Das Problem: Der Körper braucht umso länger, um die Medikamente abzubauen. «Verwirrtheit, Amnesien, Pseudodemenz, Stürze und Knochenbrüche gehören zu den möglichen Folgen.»

Auch Pro Senectute ist diese Problematik bekannt, «dass der Schritt vom Erwerbsleben in das Leben als pensionierte Person für die Psyche durchaus belastend sein kann». Schliesslich könne das Gefühl aufkommen, «dass ich jetzt nicht mehr selber für mein Auskommen zuständig bin».

Sondern man «nur noch» von Renten lebe, also gewissermassen neu «vom System abhängig» sei.

Pflege
Eine Pflegerin begleitet eine Seniorin. - dpa/dpa/picture-alliance/Archiv

Auch verändere sich das Schlafverhalten im Alter: «Wir brauchen mit zunehmendem Alter eher weniger Schlaf, schlafen auch oberflächlicher, sprich weniger tief.»

Frauen mit tiefer Franchise haben grösstes Sucht-Potential

Brisant ist vor allem, dass Frauen im höheren Alter deutlich mehr Schlafmittel konsumieren als Männer. Aber auch Versicherten mit einer tiefen Franchise werden wesentlich häufiger Benzodiazepine verschieben. Portner-Helfer von Sucht Schweiz sieht dahinter «geschlechtsspezifisches Verschreibungsverhalten von Ärzten», oder auch unterschiedliche Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe.

Verschreiben Ärzte also zu schnell Schlafmittel und fördern so das Suchtpotential? Das Swiss Medical Board kritisiert jedenfalls Ärzte und Apotheker, welche die Empfehlungen zur Einnahme zu wenig beachten würden.

Arzt
Verschreiben Ärzte zu schnell Schlafmittel? - Keystone

Sucht Schweiz hingegen betont: «Es braucht eine kritische Auseinandersetzung mit der oft zu voreiligen Verschreibung von Beruhigungsmitteln und mit genderspezifischen Behandlungstendenzen.»

Pro Senectute hingegen nimmt auch Angehörige und die Senioren in die Verantwortung. «Wir wissen aber, dass Prävention und Sensibilisierung von allen Beteiligten erfolgen muss.»

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