Die Anzahl chronischer Schmerzpatienten nimmt zu. Individuelle Hilfe ist meist schwierig zu finden. Hypnose bietet komplementäre Zugänge bei Schmerzgeschehen.
Hypnose
Schmerzen haben viele Gesichter und können das Leben von Betroffenen nachhaltig verändern. - Pixabay

Das Wichtigste in Kürze

  • Erst nach medizinischer Abklärung von Schmerzgeschehen darf Hypnose angewandt werden.
  • Ziel der Hypnose kann eine Schmerzumbewertung über Vorstellungen und Formulierungen sein.
  • Es gilt zwischen direkten und indirekten hypnotischen Schmerztherapie zu unterscheiden.
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Schmerz ist laut Weltschmerzorganisation IASP (= International Association for the Study of Pain) ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis. Dieses ist verknüpft mit einer tatsächlichen oder drohenden Gewebeschädigung.

Schmerzen haben ihren Ursprung in den sogenannten Nozirezeptoren des Peripheren Nervensystems. Dabei wird unter Schmerzqualität, -lokalisation und -dauer unterschieden. Wer längere Zeit unter Schmerzen leidet, weiss, welche Auswirkungen dies auf Körper, Geist und Seele haben kann.

Nicht umsonst sollte bei chronischem Schmerzgeschehen der Zusammenhang mit psychischen Belastungen bedacht werden. Vor allem das entstehende Schmerzgedächtnis spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Nicht selten erleben Schmerzpatienten auf der Suche nach optimaler Hilfe eine wahre Odyssee. Wenn medizinische Interventionen oder therapeutische Zugänge keine Linderung bringen, sind Leidensdruck und Verzweiflung bei Betroffenen gross. Daher macht es Sinn, komplementäre Methoden wie die Hypnose näher zu beleuchten und herauszufinden, welche Unterstützung sie bieten kann.

Der Einfluss des Unterbewusstseins bei Schmerzen

Bei jeglicher Art von Schmerzen darf nicht ausser Acht gelassen werden, was sich dabei im Unterbewusstsein abspielt. Dabei gilt es zu verstehen, welche Reize Schmerzen auslösen und verstärken. Gerade dann, wenn körperlich keine Ursachen mehr vorliegen oder Verletzung verheilt sind, existiert offenbar ein abgespeicherter Restanteil.

Vorstellungen können massgeblichen Einfluss auf das Schmerzgeschehen haben. Der Körper heilt schneller als die geistige Verarbeitung dies kann.

Psychogene Schmerzen, eben solche, die nicht auf körperliche Auslöser zurückzuführen sind, können über die Ebene des Unterbewusstseins positiv beeinflusst werden. Auch die durch hypnotische Trance ausgelöste körperliche und geistige Entspannung kann zu einer Veränderung der Schmerzbewertung bei psychischem Ursprung führen.

Generell besteht meist ein geistiger Mechanismus, der im Gehirn das Schmerzsignal auslöst, auch wenn der ursprüngliche Reiz nicht mehr besteht. Dahingehend kann die Hypnose ebenfalls unterstützen, um diesen leichter ausser Kraft zu setzen.

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Die in der Hypnose geförderte Entspannung kann u.a. wesentlich zur Lösung von Muskelspannungen beitragen. - Pixabay

Möglichkeiten der Hypnose

Sobald Schmerzpatienten einen Hypnosetherapeuten aufsuchen, müssen Möglichkeiten und Grenzen klar kommuniziert werden. Vor Beginn der Zusammenarbeit muss dieser wissen, dass das Schmerzgeschehen medizinisch untersucht wurde oder zumindest betreut wird. Erst dann kann im Vorgespräch die Zielsetzung festgelegt werden. Die Hypnose zaubert keine Schmerzen weg, sondern kann lediglich die Schmerzbewertung und -empfindung verändern.

So ist die Arbeit mittels direkter hypnotischer Schmerztherapie möglich. Diese beschäftigt sich mit den bekannten Schmerzursachen und damit zusammenhängenden Ereignissen (Unfall, Verletzung). Eine Skala vor und nach der Hypnose kann helfen, die Veränderung einzuschätzen.

Bei dieser Art der Hypnose kann vor allem ein assoziatives Vorgehen zielführend sein: Hier erhält der Schmerz ein Aussehen, das dann verändert wird (z.B. Schmerzen als Messerstiche werden zu Nadelpiksen).

Bei indirekter hypnotischer Schmerztherapie kann z.B. mit vergangenen Situationen (Altersregressionen) oder einem damit in Verbindung stehenden Affekt gearbeitet werden. Dabei wird ein sehr ausgeprägtes, belastendes Gefühl genutzt, das man in der Hypnose zu einem früheren Moment verfolgt.

Kann die Bewertung der Situation verändert werden, braucht es möglicherweise den damit verbundenen Schmerz ebenfalls nicht mehr. Auch Zugänge zur Beeinflussung von Schmerzkontrolle und -toleranz mittels Formulierungen (in Absprache mit dem Klienten) können Teil der Hypnose sein.

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Mittels Hypnose ist es möglich, in der Vorstellung die Wahrnehmung des Schmerzgeschehens zu verändern: von Messerstichen hin zum Piksen von Nadeln. - Pexels

Erkenntnisse der Forschung

Als es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch keine Betäubungs- und Narkosemittel für medizinische Eingriffe gab, nutze man bereits die Hypnose.

Erst in den letzten Jahrzehnten findet sie auch auf diesem Gebiet wieder vermehrt Einsatz. Vor allem in der Anästhesie und bei zahnärztlichen Eingriffen. Zunehmend beschäftigt sich auch die Forschung mit den Möglichkeiten der Hypnose bei unterschiedlichsten Schmerzbildern.

Eine Metaanalyse und systematische Überprüfung aus dem Jahr 2022 ist hier beispielhaft zu nennen. Sie beschäftigt sich damit, als wie wirksam Hypnose bei der Behandlung von chronischen muskuloskelettalen und neuropathischen Schmerzen einzuschätzen ist. Dabei kam es zur Analyse von fünf Datenbanken und neuen Studien zu dieser Thematik. Es zeigte sich eine moderate Abnahme der Schmerzintensität und der Schmerzinterferenz nach der Hypnose im Vergleich zu den Kontrollinterventionen.

Nach 8 Sitzungen oder mehr sei sogar ein signifikant mittlerer bis grosser Effekt auf das Schmerzempfinden verzeichnet worden. Für die Praxis bedeutet dies allerdings nicht, dass so viele Termine nötig sind. Wichtig ist, ein ausführliches Erstgespräch, die Einbindung in eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und ein klientenzentriertes Arbeiten.

Autor: Philipp Feichtinger, Heilpraktiker, Hypnose-, Gesprächs- und Naturheiltherapeut

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