Bergführer nach tödlichem Unfall eines Mädchens freigesprochen
Das bernische Obergericht hat am Freitag einen Bergführer vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Der Mann war im Herbst 2011 mit zwei Jugendlichen in der Region Adelboden unterwegs.

Der heute 48-jährige Bergführer habe seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt und sei auch keine unerlaubten Risiken eingegangen, sagte Hanspeter Kiener, Präsident der zweiten Strafkammer, am Freitag bei der Bekanntgabe des Urteils.
Kiener umriss die rechtlichen Bestimmungen, wonach ein Bergführer für die Sicherheit seiner Gäste die Massnahmen treffen muss, die nach der Erfahrung erforderlich, nach dem Stand der Technik möglich und unter den gegebenen Verhältnissen angemessen sind.
Ein Bergführer müsse also nicht jedes erdenkliche Risiko ausschliessen, sondern das, was realistisch an Gefahren zu erwarten sei. «Bergsteigen ist eine relativ gefährliche Sache», führte der Gerichtspräsident aus. Demnach relativiere sich auch die Sorgfaltspflicht in einem gewissen Mass.
Kiener verwies auf das jüngste Ergänzungsgutachten, wonach der Pfad zu einem Abseilpunkt unter den damaligen Umständen seilfrei habe begangen werden können. Allerdings nur, wenn der Bergführer auf die Gefahr aufmerksam macht, die Mädchen beobachtet und bei Bedarf unterstützt oder allenfalls auch den Rückweg antritt. Dies alles habe der Bergführer getan, kam das Obergericht zum Schluss.
50 Meter in den Schlucht gestürzt
Das 13-jährige Mädchen und seine Freundin hatten den Abenteuer- und Klettertag eines Bergsportanbieters geschenkt bekommen. Der Bergführer ging am Morgen mit den beiden Jugendlichen zunächst in einen Seilpark und einen Klettergarten in Adelboden.
Dort habe er sich ein Bild von den Fähigkeiten der beiden Jugendlichen machen können, schilderte der Bergführer vor Gericht. Er habe die Mädchen als trittsicher, angstfrei, verantwortungsvoll und vital erlebt.
So beschloss der Bergführer, am Nachmittag mit ihnen in der Cholerenschlucht ein Abseilmanöver durchzuführen. Den Weg zum ersten Abseilpunkt legte das Trio ungesichert zurück.
Kurz bevor die Gruppe das Fixseil erreichte, stolperte eines der Mädchen, rutschte über einen kurzen Abhang und stürzte 50 Meter in die Schlucht. Es starb auf dem Weg ins Spital.
Im September 2017 wurde der Bergführer vom Regionalgericht Berner Oberland vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Angehörige des verstorbenen Mädchens zogen das Urteil an die nächsthöhere Instanz.
Genügend gewarnt
Er habe den Mädchen gesagt, sie sollten vorsichtig sein und schauen, wohin sie auf dem Pfad treten. Er sei vorab gegangen und habe ein langsames Tempo vorgegeben. Er habe die Mädchen im Auge behalten und sich regelmässig versichert, wie es ihnen gehe. «Sie haben mir immer positives Feedback gegeben», sagte der Bergführer vor Gericht.
Die Anwälte der Privatkläger hatten geltend gemacht, der Bergführer habe die Mädchen nicht eindringlich genug gewarnt. Der erfahrene Berggänger sei Opfer der eigenen Routine geworden und habe die Gefahr des Stolperns auf dem Weg unterschätzt.
Dem hielt das Obergericht entgegen, dass es zu den Kernkompetenzen eines Bergführers gehöre, die Fähigkeiten der Gäste einzuschätzen. Der seit 1994 patentierte Bergführer habe entsprechende Erfahrung, auch mit Kindern und Jugendlichen.
Es sei auch nicht sinnvoll, den Gästen Angst zu machen, denn «Angst macht in den Bergen nicht sicherer», sagte Kiener. Viel besser sei es, Respekt zu haben, denn dann sei man konzentriert unterwegs. Das überlebende Mädchen sagte nach dem Unfall bei seiner Befragung, es habe Respekt, aber keine Angst gehabt.
«Jeder kann aus Unachtsamkeit irgendwo stolpern», schloss der Gerichtspräsident. Dennoch habe das Unglück natürlich grosses Leid über die Familie des Opfers gebracht. Auch den Bergführer habe der Tod des ihm anvertrauten Mädchens schwer getroffen.
Noch offen ist, ob der Fall ans Bundesgericht weitergezogen wird, wie die beiden Anwälte der Privatkläger der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagten.