Universität Bern: Studentinnen ist es in genderneutralem WC «unwohl»

Die Universität Bern hat genderneutrale WCs in der Bibliothek montiert. Studentinnen finden das «unangenehm». Die Uni erklärt, warum die Toiletten wichtig sind.

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Nau.ch/Riccardo Schmidlin - «Stört mich, wenn im Spiegel plötzlich ein Mann auftaucht»: Das sagen zwei Rechtsstudentinnen zu den genderneutralen Toiletten an der Universität Bern.

Das Wichtigste in Kürze

  • Seit Februar gibt es in der Uni-Bibliothek an der Münstergasse in Bern Unisex-Toiletten.
  • Bei Nau.ch bezeichnen Studentinnen die WC-Situation als «unangenehm».
  • Die Verantwortlichen betonen die Wichtigkeit der Toiletten, nehmen die Kritik aber ernst.

In der Bibliothek Münstergasse der Universität Bern wird seit Februar die Geschlechtertrennung überwunden: Für die Studierenden gibt es neu genderneutrale Toiletten. Männer und Frauen erledigen ihr Geschäft nun nicht mehr getrennt voneinander – für Non-Binäre sollen die Unisex-Toiletten eine Erleichterung darstellen. Non-Binäre identifizieren sich weder als Mann, noch als Frau, und können sich daher den traditionellen Geschlechterkategorien nicht zuordnen.

Links gibt es sowohl Kabinen-WCs und Pissoirs, rechts nur Toiletten zum Abhocken. Beide Seiten sind für alle zugänglich.

Das kommt nicht bei allen gut an. Seit der Umwidmung sind bei der Universität Bern fünf negative Rückmeldungen eingegangen. Bei Nau.ch klagen zwei Rechtsstudentinnen über die WC-Situation in der Bibliothek.

Studentin: «Schutzraum nicht mehr vorhanden»

Marilène Aeschlimann (22)* fühlt sich «unwohl» und findet die neue Reglung «unangenehm». Sie erklärt: «Frauen haben nicht umsonst ihre eigene Toilette. Das bietet eine bestimmte Privatsphäre und einen bestimmten Schutzraum.» Wenn das WC allen offen stehe, sei dieser Schutzraum nicht mehr vorhanden.

Aeschlimann kann es nicht verstehen, dass sich die Mehrheit nach einer «kleinen Minderheit» richten müsse. Ausweichen auf eine andere Toilette oder den Schlüssel für eine Einzelkabine verlangen, bezeichnet sie als «unpraktikabel».

Ihre Mitstudentin Laura Tüscher (23) ergänzt: «Es würde mich persönlich stören, wenn ich in der Toilette in den Spiegel schaue und dort plötzlich ein Mann auftaucht.» So beschlichen einem Sorgen, dass es zu unangenehmen bis unangebrachten Situationen kommen könnte.

Spanner-Vorfall in der Universität Bern

Die Sorgen sind nicht ganz unberechtigt. Im Oktober 2013 berichtete der Lokalsender «Telebärn» über einen mutmasslichen Spannervorfall auf einer Unisex-Toilette im Von-Roll-Gebäude der Uni Bern. Eine Studentin gab an, von einem Studenten mit dem Handy gefilmt worden zu sein.

In der Folge wurden die genderneutralen Toiletten damals wieder aufgehoben.

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Nau.ch/Riccardo Schmidlin - «Bei der Inklusion muss die Mehrheitsgesellschaft einen grösseren Aufwand auf sich nehmen», sagt Ursina Anderegg, stv. Leiterin für Chancengleichheit an der Universität Bern.

Ursina Anderegg** ist stellvertretende Leiterin der Abteilung für Chancengleichheit. Im Nau.ch-Interview sagt sie: «Diese Kritik nehmen wir selbstverständlich ernst. Ich kann diese auch sehr gut nachvollziehen, da es sich um eine ungewohnte Situation handelt, die Ängste auslösen kann.»

Sie sagt aber auch: «Inklusion bedeutet immer, dass man Minderheiten mit einem Sicherheitsproblem ernst nimmt. Da muss die Mehrheitsgesellschaft vielleicht ein bisschen einen grösseren Aufwand auf sich nehmen.» Ziel mit den genderneutralen WCs sei es, dass es einer breiteren Masse damit besser gehe.

Betroffene: «Genderneutrale Toiletten sind wichtiger Schritt»

Was sagen Betroffene dazu?

Gegenüber Nau.ch klärt Anis Kaiser (keine Pronomen) von der Geschäftsstelle des Transgender Networks Switzerland auf: «Genderneutrale Toiletten sind ein wichtiger Schritt zu mehr Inklusion und Gleichberechtigung für trans- und nicht-binäre Personen.» Sie seien notwendig, um allen einen «sicheren und respektvollen Raum zu bieten, in dem die Grundbedürfnisse erfüllt werden können».

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Kaiser erklärt: «Für trans- und nicht-binäre Personen sind genderneutrale Toiletten besonders wichtig, da sie oft Diskriminierung und Unwohlsein in binären Toiletten erleben.» In binären Toiletten werde man hingegen mit «Unverständnis, Vorurteilen oder sogar Gewalt» konfrontiert.

Dazu, dass sich nun einige Frauen unwohl fühlen, sagt Kaiser: «Es ist bedauerlich und verständlich, dass einige Studentinnen sich in gemischtgeschlechtlichen Toiletten unsicher fühlen.» Diese Bedenken würden «strukturelle Ungleichheiten und Unsicherheiten aufgrund von Geschlechteridentität» aufzeigen.

Ob an der Universität Bern noch weitere genderneutrale Toiletten installiert werden, ist vom Pilotversuch abhängig. - Keystone

Es sei daher wichtig, queere, feministische und intersektionale Ansätze bei der Gestaltung zu berücksichtigen. «Genderneutrale Toiletten sollen niemandem einen Rückzugsort nehmen, sondern einen inklusiven Raum für alle schaffen», so Kaiser. Dafür sei ein Dialog mit der Universität wichtig.

Pilotversuch dauert halbes Jahr

Bei den genderneutralen Toiletten in der Bibliothek Münstergasse der Universität Bern handelt es sich um einen Pilotversuch. Nach einem halben Jahr werde dieser ausgewertet, heisst es bei der Uni.

Weitere genderneutrale Anlagen an der Universität Bern seien zum aktuellen Zeitpunkt durchaus denkbar.

* Transparenzhinweis: Marilène Aeschlimann ist Vizepräsidentin der Jungfreisinnigen Kanton Bern.

** Transparenzhinweis: Ursina Anderegg ist Co-Präsidentin und Stadträtin des Grünen Bündnis Bern.