SRF

Susanne Kunz bringt bei SRF Sänger mit Behinderung zum Weinen

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Aarau,

Ein inklusiver Chor probt in einer Serie von SRF für einen grossen Auftritt. Coach Susanne Kunz' Umgang mit zwei Sängern sorgt für Kritik.

00:00 / 00:00

Die Kritik von Susanne Kunz überfordert die Solosängerin und den Solosänger. - SRF

Das Wichtigste in Kürze

  • Sänger laufen weinend weg, als Coach Susanne Kunz sie bei Proben kritisiert.
  • Zuschauende sind der Meinung, dass der Coach zu ihnen zu hart war.
  • Die Präsidentin des Chors Insieme Aarau-Lenzburg widerspricht.

Bei der Chorprobe zum Song «The River of Dreams» fliessen Tränen. «Das mache ich nicht im KKL. Was bringt das?», sagt Alessandra Delli Bovi.

Sie beginnt nervös ein- uns auszuatmen. Darauf verlässt die 19-jährige Solosängerin weinend den Raum, um nach draussen an die frische Luft zu gehen.

Auch Solosänger Kenneth Barrios ist geknickt. Mit beiden Händen reibt er sich die Stirn. Als Chorcoach Susanne Kunz den Arm um seine Schultern legt, läuft der 18-Jährige eingeschnappt davon.

«So tust du dir keinen Gefallen»

Kurz zuvor schärfte Susanne Kunz dem Chor ein: «Man muss arbeiten für einen Auftritt.» Sie sei dafür da, die Sängerinnen und Sänger zu triezen. «Und euch etwas weiterzutreiben, als ihr vielleicht gedacht habt.»

Auch fordert sie die Sängerinnen und Sänger auf, sich für oder gegen einen Soloauftritt zu entscheiden. Dass Alessandra Delli Bovi keinen Soloauftritt mehr geben will, versteht Kunz nicht und versucht sie zu trösten.

Kannst du mit Kritik gut umgehen?

Mit Kenneth Barrios spricht der Chorcoach Klartext. «Ich weiss nicht, ob du dir einen Gefallen tust, wenn du solo singst», sagt sie. «Weil du kannst es nicht, im Moment, muss man ganz offen sagen.»

Er könne den Text nicht oder habe zu wenig geübt, vermutet Kunz. «So tust du dir keinen Gefallen. Da muss ich jetzt etwas hart sein.»

Grosses Projekt mit SRF trotz Behinderung

Die Sängerinnen und Sänger sind keine Profis.

Sie gehören zum inklusiven Chor Insieme Aarau-Lenzburg. Sie haben alle eine kognitive Beeinträchtigung. In der Serie «Ein Chor für alle Fälle» von SRF wagten sie sich an ein grosses Projekt.

Die ehemalige SRF-Moderatorin Susanne Kunz probte mit ihnen für einen Auftritt im Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL).

Ihr Umgang mit den beiden Solisten in der Szene der zweitletzten Folge stösst auf Kritik. «Wir haben wegen der Szene negative Reaktionen erhalten.» Dies sagt Mary-Claude von Arx, Präsidentin des Chors Insieme Aarau-Lenzburg, zu Nau.ch.

«Bekämpfen den Behindertenbonus»

Stimmen aus dem TV-Publikum von SRF hätten den Umgang zu hart gefunden, sagt von Arx. «Sie waren der Meinung, dass man mit Personen, die ‹nicht normal› sind, anders umgehen müsste.»

Auch Chorleiterin Cécile Driutti zeigte in der Sendung von SRF Zweifel. «Ich glaube, ich wäre mit Einzelnen vielleicht sanfter umgegangen», sagte sie. Auf der anderen Seite habe es auch einmal ein wirklich klares Wort gebraucht, wenn jemand nicht «abliefert».

Aber: Menschen wegen ihrer Behinderung mit Samthandschuhen anfassen – das kommt für Mary-Claude von Arx nicht infrage. «Wir bekämpfen den Behindertenbonus», sagt sie.

«Das Leben ist kein Ponyhof»

Wenn man schon von Inklusion redet, muss man laut von Arx auch Menschen mit Behinderung kritisieren können. «Das Leben ist kein Ponyhof – für niemanden.» Auch im Berufsleben könnten diese Menschen gewisse Aufgaben nicht durchführen, wenn sie sich keine Mühe gäben.

Die 2024 eingereichte Inklusionsinitiative fordert eine umfassende Gleichstellung in allen Lebensbereichen und auf allen Gesetzesebenen. Die Insieme-Chorleiterin zeigt sich froh über die Fortschritte. «Diskriminierend ist, wenn man Menschen mit Behinderung nicht gleich behandelt wie alle anderen Menschen.»

Von Arx erinnert daran, dass die Gesellschaft Menschen mit Behinderung früher abschottete. «In der Folge wurden sie nicht gefördert und hatten keine Zukunft.»

«Solche Tage gibt's»

Susanne Kunz wollte sich auf Anfrage zu ihrem Umgang mit den Chormitgliedern nicht äussern. «Ich möchte im Moment keine Interviews geben, da ich sehr präsent war in letzter Zeit», sagt sie.

Schaust du die Sendung «Ein Chor für alle Fälle» von SRF?

In der TV-Folge von SRF kommentierte Kunz den Eklat aber. Selbst arbeitet sie auch als Schauspielerin und Musicaldarstellerin. «Solche Tage gibt's, wo nichts zu klappen scheint, wo es Unstimmigkeiten und Frustration gibt», sagt sie. Man beginne sich gegenseitig zu nerven, was auch Energie freisetze.

«Es muss nicht immer Harmonie herrschen, damit was entstehen kann», so Kunz. Es sei immer für die Sache.

Richtiges Verhalten

Andere Organisationen von Menschen mit Behinderung wollen zum Umgang mit den Solisten in der Szene von SRF keine Stellung nehmen.

Sie begründen dies damit, am Projekt nicht beteiligt gewesen zu sein. Dadurch kannten sie die genauen Umstände nicht.

Die Stiftung My Handicap verweist zudem auf ihre Eckpfeiler für die Inklusion am Arbeitsplatz.

Geht Susanne Kunz zu hart um mit den Chor-Mitgliedern?

Das entsprechende Factsheet empfiehlt etwa, den Kolleginnen und Kollegen offen und vorurteilsfrei zu begegnen. Auch solle man «zuerst fragen, dann helfen». Menschen mit Behinderung oder chronischen Krankheiten wollten selbst bestimmen, ob sie Hilfe brauchten, erklärt das Factsheet.

Kommentare

User #8071 (nicht angemeldet)

Ich bin Asperger-Autistin und erlebe selber im Alltag genug oft was mich von anderen unterscheidet, in Form von direkter oder indirekter Kritik. Beides trifft mich innerlich hart. Stellen Sie sich doch einmal vor wie es wäre, wenn jeden Tag Leute zu Ihnen kommen und Ihnen sagen "du bist anders als alle in deinem Alter! Du bist komisch!". Natürlich weine ich nicht gleich los wie ein Kind, ich habe gelernt die Emotionen inne zu halten. Ich weine höchstens zuhause abends, in meiner Wohnung. Da sieht und hört mich keiner. Ich habe mir eben den Clip angesehen und vermute mal, das die Jugendlichen vermutlich ähnliches erleben in ihrem Umfeld und so die Gefühle womöglich nicht so gut steuern können. Da kanns dann passieren das eben auch mal Tränchen fliessen. Ich finds schade, das Susanne die 2 einfach hat rausgehen lassen nach dem Motto "läck mer doch am Arsch" sie hätte sich wenigstens zu den schülern raus begeben können und mit ihnen einfühlsam und ruhig über deren Können, Soloauftritt sprechen können. Vor versammelter Chorschaft so anranzen geht einfach nicht, das baut enorm druck auf bei den Betroffenen und da sitzt dann auch die Schwelle für Tränen tief.

User #4493 (nicht angemeldet)

..ein Bla Bla mehr!

Weiterlesen

kunz srf
33 Interaktionen
Verbot aus London
«Arena»
103 Interaktionen
«Arena»
Schule
169 Interaktionen
«System überlastet»
Weiterbildung
3 Interaktionen
Weiterbildung

MEHR SRF

Schweiz Deutschland SRF Fans
43 Interaktionen
«Singen die…?»
ESC
28 Interaktionen
«Bitte, SRF»
SRF Tagesschau
64 Interaktionen
«Absurd»
SRF Tagesschau
165 Interaktionen
Beldner weg

MEHR AUS AARAU

Erlinsbach AG
Kollision in Aarau
2 Interaktionen
Aarau AG