Sind Pornos auch in der Schweiz bei Kinder-Straftätern ein Auslöser?
Der Pornokonsum der Schweizer Jugendlichen ist in den letzten Jahren stark gestiegen – Auslöser für sexuelle Gewalt sei jedoch ein anderer, erklärt ein Experte.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Pornografiekonsum von Jugendlichen in der Schweiz hat stark zugenommen.
- Ebenso die polizeilichen Meldungen über Minderjährige wegen Pornografie.
- Auslöser für sexuelle Gewalt ist trotzdem ein anderer, erklärt Kriminologe Dirk Baier.
Die britische Polizei hat kürzlich bekannt gegeben, dass die Sexualstraftaten von Minderjährigen gegenüber anderen Minderjährigen in England stark angestiegen sind. Sie führt dies auf den frühen Konsum und einfachen Zugang zu pornografischen Inhalten zurück. Lässt sich eine solche Entwicklung auch in der Schweiz beobachten?
Der Pornokonsum von Kindern und Jugendlichen hat in den letzten Jahren auch in der Schweiz massiv zugenommen. Dies zeigt eine Studie der Universität Zürich. Dort wurden 15-Jährige zu ihrem Pornokonsum befragt.
Umfrage
Wann haben Sie zum ersten Mal einen pornografischen Inhalt gesehen?
2007 gaben 27,7 Prozent der männlichen Befragten an, mindestens einmal wöchentlich pornografische Inhalte zu konsumieren. Bis 2021 hat sich die Zahl fast verdoppelt: 49,5 Prozent der befragten Jungs schauen sich wöchentlich Pornos an. Bei den Mädchen ist die Zahl von 0,8 auf 7,5 Prozent gestiegen.
Ob andererseits die Anzahl Sexualstraftaten von Minderjährigen gegenüber Minderjährigen zugenommen hat, sei nicht mit Sicherheit zu sagen. Das erklärt Kriminologe Dirk Baier gegenüber Nau.ch. «Sexuelle Straftaten von Kindern gegenüber Kindern sind maximal leicht gestiegen – ein starker Trend ist nicht sichtbar.»
Die Anzahl Kinder, die wegen Pornografie polizeilich registriert wurden, ist allerdings drastisch in die Höhe geschnellt. Unter «Pornografie» ist hauptsächlich die Erstellung und Verbreitung pornografischer Inhalte zu verstehen. Also etwa Nacktbilder.
Laut der polizeilichen Kriminalstatistik wurden 2015 159 Kinder beschuldigt, im Jahr 2022 bereits 544: Die Zahl ist also innerhalb von sieben Jahren um das Dreifache gestiegen.
Baier sieht den Hauptauslöser der sexuellen Übergriffe von Minderjährigen jedoch nicht in der Pornografie. «Dass die Beschuldigtenanzahl bezüglich Pornografie deutlich stärker steigt als die bezüglich sexueller Gewalt ist ein erster Hinweis, dass die Beziehung zwischen Pornografiekonsum und sexueller Gewalt weniger eng ist, als viele Menschen meinen.»
Experte: Auslöser für sexuelle Gewalt liegt in Geschlechterrollenbildern
Der Kriminologe erklärt, dass sexuelle Gewalt viel eher mit den Geschlechterrollenbildern in der Gesellschaft zusammenhängt. Dazu nennt er weitere Zahlen: «Von allen 10- bis 17-jährigen Beschuldigten sexueller Nötigung im Jahr 2022 waren 121 männlich und 5 weiblich – ein Verhältnis von 1 zu 20.»
«Männer werden zu Dominanz erzogen, sollen mächtig sein. Diese Dominanz und Macht zeigen sie dann auch im Umgang mit Frauen», erklärt Baier die Geschlechterlücke. «Sexuelle Gewalt ist in erster Linie dadurch motiviert, dass Männer Überlegenheit demonstrieren wollen. Diese Ideologien gilt es in der Gesellschaft zu bekämpfen», sagt Baier.