Kulinarik mit Mehrwert

Andrea Bauer
Andrea Bauer

Bern,

Es ist (noch) ein Geheimtipp.

. Ein Juwel der spanisch-mediterranen Küche. Das Bistro «21 Stärne» ist aber weit mehr als nur ein Restaurant mit einem hervorragenden Koch. Ein Gespräch über feines Essen, Inklusion im Alltag und über das Recht jedes Menschen, einer produktiven Arbeit nachzugehen.

Umgeben von einem Park, unweit vom Eigerplatz, wirkt die Villa Stucki fast ein bisschen aus der Zeit gefallen. Auch im Innern fühlt man sich wie in einer ruhigen Oase, weit weg von der Hektik des Alltags. Das Bistro erstreckt sich über drei Räume im Erdgeschoss und hat eine hübsche Terrasse. Heute ist es dafür allerdings zu kalt, also setzen wir uns mit Andrea Villa an einen der liebevoll gedeckten Tische. Sie ist die Initiantin dieses aussergewöhnlichen Projekts. Im Jahr 2019 hat sie, als betroffene Mutter, den Verein «Mensch21!» gegründet. Die Zahl 21 nimmt Bezug auf Menschen mit Trisomie21, daher findet sich diese Zahl auch im Namen des Bistros wieder. «Mit der Geburt unserer Tochter, die mit dem Down-Syndrom zur Welt kam, wurden wir in eine völlig unbekannte Situation geworfen. Und ich merkte sehr schnell, dass ich permanent für mein Kind kämpfen muss», umschreibt Andrea Villa ihre Gefühle. Dies insbesondere, wenn es um die Integration in für andere Kinder selbstverständliche Institutionen ging, wie den Kindergarten oder die Schule. «Ich wollte etwas tun, um meinem Kind später ein erfülltes Leben mit einem Job in der ersten Arbeitswelt ermöglichen zu können.» Deshalb gründete sie «Mensch21!», um sich mit anderen Eltern in ähnlicher Situation zu vernetzen und selbst aktiv zu werden. 

Fröhlich und freundlich
Denn unsere Gesellschaft schiebt Menschen mit Trisomie21 einfach in Institutionen mit Wohn- und Beschäftigungs-Angeboten ab, damit sie dort einer Beschäftigung nachgehen. «Man geht generell davon aus, dass T21-Menschen nicht produktiv sind. Dabei haben wir in dieser Hinsicht ganz andere Erfahrungen gemacht», erzählt Andrea Villa. Ihr Kind habe noch vor «Mama» oder «Papa» das Wort «Essen» sagen können – schon immer sei ihm Essen und Geniessen sehr wichtig gewesen. Zudem sei ihr Mädchen ein unglaublich soziales Kind, das sehr aufgeweckt sei. «Mit ihren elf Jahren kann sie zwar weder schreiben, lesen noch rechnen. Aber sie ist ein Herzensmensch, kann alle um sie herum mit ihren Aktivitäten mitreissen und ist meistens zum Scherzen aufgelegt.» So sei sie auf die Idee eines Restaurants gekommen, welches Arbeitsplätze für T21-Menschen anbiete. «In Spanien, Frankreich, Deutschland und vielen weiteren Ländern sind solche viel verbreiteter. Dort sind diese Menschen viel selbstverständlicher in den ersten Arbeitsmarkt integriert als bei uns. Das entlastet auch das Sozialsystem, da dadurch Ergänzungsleistungen eingespart werden können», erklärt die engagierte Mutter ihre Motivation.  

Positive erste Erfahrungen
Als ein neuer Pächter fürs Bistro in der Villa Stucki gesucht wurde, habe sie die Chance ergriffen. Erste Erfahrungen mit T21-Menschen im Gastgewerbe konnten sie und ihr Team an von Mensch21! organisierten Gas­tro-Events in Bern sammeln und diese stimmten sie enorm zuversichtlich. «Es war eine Freude zu sehen, wie sehr sich diese Jugendlichen eingesetzt haben, mit wie viel Motivation und Herzblut sie dabei gewesen sind. Diese Dankbarkeit, dass sie eine sinnvolle Arbeit machen dürfen und man ihnen etwas zutraut, war unglaublich berührend», schildert Andrea Villa ihre Erfahrungen. So könne man diesen MItarbeitenden auch einen Lohn gemäss ihrer Leistungsfähigkeit zahlen. «Natürlich muss man sehr genau schauen, wen man wo einsetzen kann, wer welche Fähigkeiten hat. Das ist zwar etwas aufwändig, aber es lohnt sich. Wer sein Plätzchen gefunden hat, will fast nicht mehr aufhören.» So gross sei die Freude darüber,sich einbringen zu dürfen. Die Impressionen auf der Webseite von www.mensch21.ch zeugen eindrücklich davon.

Ausbildung für den ersten Arbeitsmarkt
Was alle Beteiligten enorm überrascht habe, sei die Tatsache, dass T21-Menschen äusserst sorgfältig mit dem Geschirr und dessen Inhalt umgegangen seien. «Es ging nichts kaputt und nichts wurde verschüttet», sagt die stellvertretende Geschäftsführerin. Aktuell nun seien sie daran, den Gas­ spanisch-mediterrane Küche im Bistro «21 Stärne» setzt auf frische, saisonale Produkte von regionalen Produzenten. Dazu brauche es aber nicht nur möglichst viele Gäste, sondern auch weitere finanzielle Unterstützung. Deshalb hat Andrea Villa nun ein Crowdfunding organisiert (siehe Box). Sobald sich das Bistro stabilisiert und auch ein bisschen etabliert habe, könnten sie erste feste Arbeitsplätze für Menschen mit Trisomie21 anbieten. «Unser Ziel ist es, diesen Menschen eine praktische Ausbildung nach INSOS anbieten zu können und sie praktische Erfahrungen sammeln zu lassen, so dass sie im ersten Arbeitsmarkt eine Stelle finden können. Denn sie möchten arbeiten, sich einbringen und sie geben uns so viel zurück. Gerade auch ihr ganz anderer Blick aufs Leben ist für alle eine grosse Bereicherung.»

- BärnerBär
- BärnerBär

CROWDFUNDING FÜRS BISTRO «21 STÄRNE»

Obschon das Bistro «21 Stärne» eine nicht gewinnorientierte GmbH ist, geht’s nicht ohne finanzielle Hilfe. Es hat erst seit einem Monat geöffnet, verfügt über eine hervorragende Küche, ist aber noch wenig bekannt. Miete, Löhne und Lebensmittelkosten sind längst noch nicht durch Einnahmen gedeckt und lassen sich auch nicht durch Spenden von Betroffenen und den engsten Unterstützenden bezahlen.


Machen auch Sie mit und unterstützen Sie das Bistro, damit dieses nachhaltig aufgebaut und geführt werden kann. Mit regelmässigen Besuchen oder Ihrer finanziellen Hilfe ermöglichen Sie Menschen mit Trisomie 21, eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt zu bekommen.


Weitere Infos: 21staerne.ch
Hier können Sie spenden: https://wemakeit.com/projects/bistro-21staerne

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