Nobelpreise gehen meistens an alte Männer aus den USA

DPA
DPA

Schweden,

Beim Nobelpreis stehen ältere, amerikanische Männer an der Spitze der Preisträger. Dieses Jahr dürfte sich daran nicht viel ändern. Was sind die Gründe?

Rainer Weiss, ausgezeichnet mit dem Nobelpreis für Physik, spricht im Rahmen der Verleihung der Nobelpreise 2017 in der City Hall in Stockholm.
Rainer Weiss, ausgezeichnet mit dem Nobelpreis für Physik, spricht im Rahmen der Verleihung der Nobelpreise 2017 in der City Hall in Stockholm. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein weisser, alter Mann aus den USA – so sieht ein typischer Nobelpreisträger aus.
  • Mehr als die Hälfte aller Nobelpreise ging bisher an US-Männer.
  • Dabei ist die Zeit der grossen amerikanischen Erfindergeister allmählich vorbei.

Der Nobelpreis geht an... einen alten, weissen, amerikanischen Mann im schwarzen Anzug. Ein gewohntes Bild, denn so kann der typische Nobelpreisträger mit wenigen Worten beschrieben werden. Auch im vergangenen Jahr waren acht der elf Preisträger US-amerikanische Staatsbürger, keine einzige Frau bekam diese Auszeichnung. Wird das wieder so, wenn in der ersten Oktoberwoche mit grossem Tamtam die Nobelpreisträger 2018 verkündet werden? Zumindest die Dominanz der USA könnte bald schwinden, meint ein deutscher Wissenschaftler.

Dabei scheinen die absoluten Zahlen bemerkenswert eindeutig: Die schlausten Köpfe der Welt sitzen demnach in Amerika. Sie forschen an den mit Abstand besten Universitäten. Seit 1901 haben Wissenschaftler von 127 US-amerikanischen Forschungsinstituten in den Kategorien Physik, Chemie, Medizin und Wirtschaft 369 Nobelpreise abgeräumt. Das ist mehr als die Hälfte aller vergebenen Auszeichnungen. Zum Vergleich: In derselben Zeit brachten Forscher von 54 deutschen Instituten 72 Nobelpreise mit nach Hause.

Sinkende Kurve

Doch diese Zahlen, meint der Frankfurter Physiker Claudius Gros, täuschten darüber hinweg, dass die Zeit der grossen US-amerikanischen Erfindungen zumindest in den Nobeldisziplinen langsam zu Ende gehe. Er hat die erlangten Nobelpreise ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl der Länder gesetzt, deren Staatsangehörigkeit die Gewinner zur Zeit der Preisvergabe hatten. Die Kurve der USA zeigt klar nach unten, schon seit 1972.

«Davor standen die USA wissenschaftlich in voller Blüte», sagt Gros – die Zeit der ersten Mondlandung und grosser Entdeckungen. Noch immer sei die «Produktivität» der US-Wissenschaftler zwar relativ hoch. «Deutlich höher als die von Deutschland. Aber nach der Vorhersage wird sich das in zehn Jahren ändern», sagt der Physiker. 2025 hätten deutsche Wissenschaftler demnach bessere Chancen auf einen Nobelpreis als amerikanische. Am meisten aber würde mit Blick auf die Einwohnerzahl Grossbritannien abräumen.

US-Forscher konzentrieren sich auf das Geld

Heisst das, dass die US-Forschung schlechter geworden ist? Nicht unbedingt. Die Wissenschaftler dort konzentrieren sich allerdings inzwischen weniger auf Physik, Chemie oder Medizin, wo wissenschaftlicher Fortschritt immer schwieriger wird. «Sie machen lieber Informatik und künstliche Intelligenz, wo die Post noch richtig abgeht. Wo auch mehr Geld zu verdienen ist», sagt Gros. Bloss gibt es dafür eben keine Nobelpreise.

«Ich vermute, dass die Produktivität ohne die Auswanderung grösser wäre, als sie heute ist», sagt Gros. Mit anderen Worten: Die Nazi-Zeit brachte Deutschland um Nobelpreise. Mindestens 25 in Deutschland geborene Nobelpreisträger hatten zum Zeitpunkt der Preisverleihung eine andere Staatsangehörigkeit. Viele davon hatten wegen der Nazis Deutschland verlassen. Das aktuellste Beispiel: Der Physik-Preisträger des vergangenen Jahres, Rainer Weiss, der als Kind mit seiner Familie 1938 vor den Nationalsozialisten floh.

Nimmt man die Nobelpreise für Literatur und Frieden mit in die Rechnung, ist die Dominanz übrigens nicht mehr ganz so erdrückend. Beim Literaturnobelpreis hat Frankreich mit 16 ausgezeichneten Autoren die Nase vorn. Die USA und Grossbritannien teilen sich mit je 11 den zweiten Rang, Deutschland folgt mit 8 Nobelpreisträgern gleichauf mit Schweden.

Bescheidene Skandinavier

Ihren eigenen Landsleuten scheinen die skandinavischen Nobeljurys ohnehin ungern Preise zu geben. Und Frauen auch nicht. Nur 48 der fast 900 Nobelpreisträger waren weiblich. Marie Curie hatte zwei erhalten – für Physik und für Chemie. Im vergangenen Jahr äusserte die Königliche Wissenschaftsakademie ihre Sorge deswegen: «Ich vermute, dass es viel mehr Frauen gibt, die es verdienen, für den Preis berücksichtigt zu werden», sagte der Vorsitzende Göran Hansson. Auch die Geografie sprach er an. «Ich hoffe, dass wir in fünf oder zehn Jahren eine ganz andere Verteilung sehen.»

Im gleichen Jahr ging der Physik-Nobelpreis an drei alte, weisse Amerikaner. Damit erhielten 2017 mehr Männer diesen Preis als Frauen in mehr als 100 Jahren.

Mehr zum Thema:

Kommentare

Weiterlesen

reporter ohne grenzen
Reporter ohne Grenzen
Medizin-Nobelpreisträger
2 Interaktionen
Mit USA

MEHR IN NEWS

Unfall Galgenen SZ
Galgenen SZ
1 Interaktionen
Tel Aviv

MEHR AUS SCHWEDEN

Stockholm
2 Interaktionen
Clark Olofsson tot
6,28 Meter!
Lithium
45 Interaktionen
Laut einer Studie
greta
17 Interaktionen
Nach Gaza-Trip