Baerbock: Westbalkan «nicht Russland überlassen»
Putin versucht seit Jahren, Balkanländer enger an sich zu binden und so einen Keil zwischen die Europäer zu treiben. Aussenministerin Baerbock will mit ihrer Reise in die Region den Spiess umdrehen. Gelingt das?
Das Wichtigste in Kürze
- Aussenministerin Annalena Baerbock will angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine eine engere Anbindung des Westbalkans an die EU vorantreiben.
Deutschland reiche «den Staaten in der Region die Hand auf dem Weg nach Europa», sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstagabend in der kosovarischen Hauptstadt Pristina nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Albin Kurti. Man wolle diesen Weg gemeinsam für Frieden und Sicherheit gehen «und im Sinne der Stärkung von Demokratien weltweit».
Eine der wichtigsten Voraussetzungen sei die Stärkung des Vertrauens in der Region, sagte Baerbock. Dafür seien etwa Fortschritte im Normalisierungsdialog zwischen Kosovo und Serbien nötig. Dabei sollten Kriegswunden nicht vergessen werden. Zugleich seien aber Pragmatismus und der Mut zu schwierigen Entscheidungen gefragt, um der jungen Generation die Chance für eine bessere Zukunft zu geben. Dies werde sie an diesem Freitag auch mit grossem Nachdruck bei ihren Gesprächen in der serbischen Hauptstadt Belgrad sagen.
Die Ministerin wollte in Belgrad unter anderem mit Präsident Aleksandar Vucic sprechen. Vucic pflegt seit Jahren enge Kontakte zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Baerbock warnt vor weiterer Destabilisierung der Westbalkan-Region
In Bosnien-Herzegowina hatte Baerbock nach einem Treffen mit Aussenministerin Bisera Turkovic in Sarajevo gesagt: «Dieses Land gehört zu Europa.» Deswegen müsse gemeinsam intensiv und schneller an einer Beitrittsperspektive gearbeitet werden. Zugleich warnte Baerbock angesichts nationalistischer Tendenzen vor einer Destabilisierung der Region.
«Deswegen müssen und werden wir denen Einhalt gebieten, die den Frieden hier in Bosnien und Herzegowina aus selbstsüchtigen Motiven aufs Spiel setzen», sagte Baerbock. Gemeinsam mit seinen Partnern werde Deutschland «keine Erosion der Sicherheitslage zulassen». Baerbock spielte damit auf den bosnischen Serbenführer Milorad Dodik an, der in den vergangenen Monaten daran arbeitete, den serbischen Landesteil aus dem bosnischen Staatsverband herauszulösen. Dabei geniesst er die Unterstützung Russlands.
Bosnien-Herzegowina: Termin für Start der EU-Beitrittsverhandlungen
Bosnien, das in Folge des Zerfalls Jugoslawiens vor rund 30 Jahren von einem blutigen Krieg mit 100.000 Toten überzogen wurde, hat eine Beitrittsperspektive für die Europäische Union (EU), aber noch keinen Kandidatenstatus. Turkovic verlangte ein abgekürztes Verfahren für die Zuerkennung des Kandidatenstatus sowie einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. «Wir glauben, dass dies ein starker Beitrag zum Frieden in Bosnien (...) und in Europa wäre», sagte sie. Derzeit sei der Westbalkan «eine Schwachstelle Europas» und mithin «ein Ort, an dem die Stärke und aussenpolitische Rolle des wohlhabendsten Bündnisses der Welt demonstriert werden muss».
Treffen mit den «Müttern von Srebrenica»
In Sarajevo traf sich Baerbock auch mit Vertreterinnen der Opferorganisation «Mütter von Srebrenica». Beim Völkermord von Srebrenica hatten serbische Truppen 1995 die dortige UN-Schutzzone überrannt und mehr als 8000 bosnisch-muslimische Männer und Jungen ermordet. Das Massaker gilt als schlimmstes Kriegsverbrechen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa.
Zuvor hatte Baerbock gemeinsam mit der Bürgermeisterin Sarajevos, Benjamina Karic, sowie den Bürgermeistern von Banja Luka und Mostar die Altstadt besichtigt. Dabei besuchte sie die serbisch-orthodoxe Kathedrale, die Hauptmoschee, die Alte Synagoge und die katholische Kathedrale der Stadt. In Sarajevo gibt es seit Jahrhunderten eine grosse religiöse Vielfalt.
Am Abend traf sich Baerbock mit Vertretern der Nato-Mission KFOR sowie mit Soldatinnen und Soldaten des deutschen Einsatzkontingentes. Im Rahmen der KFOR-Mission können bis zu 400 deutsche Einsatzkräfte ins Kosovo geschickt werden. Derzeit sollen rund 70 Bundeswehrsoldaten die öffentliche Ordnung in dem Land sichern und den Aufbau einer zivilen Friedensordnung unterstützen.