Demos in Hongkong gehen trotz Ausschaffungs-Rückzug weiter

Benedikt Theiler
Benedikt Theiler

Hong Kong,

Die Regierung von Hongkong nimmt das kontroverse Ausschaffungsgesetz definitiv zurück. Grund dafür ist wohl auch eine Tonaufnahme von Carrie Lam. Eine Analyse.

Hongkong
Seit Wochen gehen Tausende wegen des umstrittenen Ausschaffungsgesetzes in Hongkong auf die Strasse. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die umstrittene Regierungschefin Lam nimmt das umstrittene Ausschaffungsgesetz zurück.
  • Es ist eine Reaktion auf die wochenlang anhaltenden Proteste.
  • Dahinter dürfte aber auch eine Tonaufnahme von Carrie Lam stecken.

Aufatmen in Hongkong? Überraschend gibt heute die Chefin der Hongkong-Regierung Carrie Lam bekannt, dass das umstrittene Ausschaffungsgesetz zurückgezogen wird. Damit versucht Lam nach wochenlangen, zum Teil heftigen und blutigen Protesten die Kohle aus dem Feuer zu holen.

APTOPIX Hong Kong Protests
Hongkong-Chefin Carrie Lam spricht im Fernsehen. Ein Mann schaut auf diversen Fernsehern zu. - keystone

Der Auslöser des Protests – eben dieses kontroverse Gesetz – sah vor, dass die Behörden von Hongkong verdächtige Personen an chinesische Stellen ausliefern könnten. Nach ersten Massenprotesten hatte Lam das Gesetz vorerst auf Eis gelegt. Nun soll es gemäss Lam ganz vom Tisch.

Angst vor Chinas Einflussnahme

Hinter den Demonstrationen steckt aber weitaus mehr. Die Hongkong-Bürger fürchten, dass China die Ordnung «Ein Land, zwei Systeme» kontinuierlich unterwandert.

Das System versprach dem Territorium 1997, nach der Übergabe von Grossbritannien an China, autonome Grundrechte. Und zwar für mindestens 50 Jahre. Durch das Gesetz fühlten sie sich in der chinesischen Einflussnahme bestätigt.

Proteste in Hongkong
Neben dem Shenzhen Bay Stadion in der an Hongkong grenzenden chinesischen Stadt Shenzhen stehen gepanzerte Fahrzeuge und Truppentransporter. - dpa

Dass nun aber mit dem Rückzug des Gesetzes die Proteste abklingen werden, ist mehr als fraglich. Inzwischen verlangen die Demonstranten nicht nur die Aufhebung des Gesetzes, sondern weitaus mehr.

So etwa den Rücktritt der China-freundlichen Regierungschefin Carrie Lam. Die übermässige Polizeigewalt soll durch eine unabhängige Stelle untersucht werden. Die bis zu 1100 festgenommenen Demonstranten sollen freikommen.

Zudem soll der Vorwurf des «Aufruhrs» fallen gelassen werden. Darüber hinaus fordern viele der Demonstranten politische Reformen und freie Wahlen.

Zwar reagierten die Aktivisten in Hongkong erleichtert auf die Ankündigung von Lam. Doch sie machten gleichzeitig deutlich, dass ihnen der Rückzug nicht genügt.

Zuckerbrot nach der Peitsche

Dass Carrie Lam nach dem teils heftigen Einsatz von Polizeikräften gerade jetzt das Ausschaffungsgesetz zurückgezogen hat, könnte mit einer kürzlich publizierten Audioaufnahme zusammenhängen. Darin soll die Regierungschefin zu hören sein, wie sie sagt, sie würde zurücktreten – wenn sie könnte.

Hong Kong Protests
Polizisten in Hongkong während einem Einsatz. - keystone

Zwar bekräftigte Lam, dass sie Peking nie gebeten habe, sie zurücktreten zu lassen. Und es liege an ihr, ob sie in ihrem Amt bleiben wolle. Doch viele sehen sich bestätigt, dass die Regierung Lam nur der verlängerte Arm der Pekinger Zentralregierung sei.

Der Druck auf Carrie Lam dürfte dadurch wohl nicht kleiner geworden sein – im Gegenteil. Die Demonstranten sind nun bestätigt, dass sie durch ihre anhaltenden Proteste etwas erreichen können.

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