Neben den US-Amerikanern vom LAFC war auch eine Schweizer Gruppe am Einstieg bei GC interessiert. Im exklusiven Interview mit Nau.ch erklären sie ihr Projekt.
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Die neue Besitzerschaft von GC aus den USA. Doch es gab auch Schweizer Interessenten. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ex-GC-Präsident Romano Spadaro und Giovanni Gaggini erklären bei Nau.ch «Tabula Rasa».
  • Diese Schweizer Gruppe wollte bei GC einsteigen, wie sie exklusiv enthüllt.
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Seit Mitte Januar ist klar: Bei GC sind neue Besitzer an Bord. Auf die Chinesen folgt mit der LAFC- Gruppe eine US-Amerikanische Eigentümerschaft.

Jetzt enthüllt Nau.ch exklusiv: Auch eine Schweizer Gruppierung war am Einstieg bei den Hoppers interessiert! Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein hat sich mit der «Tabula Rasa»-Gruppe getroffen. Mit dabei Ex-GC-Präsident Romano Spadaro und der Sprecher der Gruppe, Rechtsanwalt Giovanni Gaggini.

Nau.ch: Romano Spadaro, Sie hatten das Projekt «Tabula Rasa» am Start, mit dieser Gruppe wollten auch Sie die Grasshoppers übernehmen. Wieso hat es am Schluss nicht geklappt?

Romano Spadaro: Wir haben das Projekt vor rund neun Monaten lanciert, nachdem klar wurde, dass die chinesischen Eigner von GC eine Alternativlösung suchten. Zusammen mit meinem Freund und Rechtsanwalt Giovanni Gaggini, der ein sehr gutes Netzwerk hat. GC wurde durch die Fosun-Übernahme vor 3,5 Jahren zu einem Farmteam degradiert. Das passt einfach nicht, da fehlt die Identifikation.

GC muss meines Erachtens eigenständig sein, deshalb haben wir das Projekt «Tabula Rasa» genannt und nicht mit den bestehenden Personen und Funktionen geplant. Wir wollten die Strukturen prüfen und mit neuen Personen anpassen. Das wäre natürlich nicht von einem Tag auf den anderen möglich gewesen. Aber in diese Richtung war es geplant, wir haben in den acht Monaten Investoren gesucht und in ein gutes Projekt verpackt.

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Romano Spadaro ist der erfolgreichste GC-Präsident aller Zeiten. - Nau.ch

Nau.ch: Herr Gaggini, wie sind Sie in diesem Prozess vorgegangen?

Giovanni Gaggini: Wir wollten ganz bewusst nicht über die Agentur in London gehen, die für die Chinesen die Verhandlungen geführt hat, sondern aufgrund von unseren Beziehungen in unserem Netzwerk direkt über den Chairman der Fosun-Gruppe, faktisch die eigentliche Eigentümerin der GC Fussball AG.

Ihn haben wir angeschrieben mit einer Absichtserklärung im Namen unserer Investorengruppe. Dort haben wir auch unsere Konditionen und Bedingungen festgehalten, zu denen unsere Gruppe bereit gewesen wäre, bei GC einzusteigen.

Während gut fünfeinhalb Wochen haben wir von den Chinesen nichts gehört, in diesem Zeitraum hatten wir aber unter anderem Kontakt mit Matt Jackson (abtretender GC-Präsident, d.Red.) und auch mit Vize-Präsident Andras Gurovits, den wir zunächst in den Gesprächen einbinden wollten. Ihm haben wir eine NDA unterbreitet.

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GC-Vizepräsident Andras Gurovits. - keystone

Nau.ch: Erklären Sie unseren Lesern bitte das NDA?

Gaggini: Es handelt sich um eine schriftliche Vertraulichkeitserklärung. Dadurch hätte er Informationen über unsere Gruppe erhalten. Das wären aber Informationen gewesen, die nur für ihn selber einsehbar gewesen wären. Er war jedoch der Meinung, dass das nicht gehe und auch Leute aus seiner Anwaltskanzlei Zugriff zu diesen Infos haben müssten oder haben würden.

Da waren wir aber entschieden anderer Meinung, weil für unsere Investorengruppe und auch für Romano Spadaro als ehemaliger GC-Präsident aufgrund des entsprechenden Medienrummels, welcher im Falle eines Lecks mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre, absolute Diskretion sehr wichtig war.

Andras Gurovits hat das NDA sodann zwar unterschrieben, allerdings stark abgeändert, sodass es für uns schlicht nicht akzeptabel war – zu viele Leute hätten so Einsicht in die Dokumente und Informationen gehabt.

Nau.ch: Herr Spadaro, Ihnen war es wichtig, dass das Verfahren parallel verläuft. Sie wollten nicht an die Öffentlichkeit gehen und Stillschweigen vereinbaren – eben, weil das Projekt den Namen «Tabula Rasa» trägt. Es hätte gar nicht funktioniert, wenn ein Konkurrent oder Mitbewerber etwas von Ihrem Interesse erfahren hätte?

Spadaro: Ganz genau. Das war der Hauptgedanke dahinter. Ein italienisches Sprichwort sagt: Wenn zwei etwas wissen, weiss es einer zu viel. Wir haben es klar getrennt und wollten keinen Kontakt zu der Agentur in London, die die Verhandlungen zwischen den Chinesen und den verschiedenen Gruppierungen geführt hat. Weil dann wäre es am nächsten Tag in den Zeitungen gestanden. Deshalb haben wir unsere parallelen Kontakte zum Fosun-Eigentümer genutzt.

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Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein (rechts) im Gespräch mit Romano Spadaro (Mitte) und Giovanni Gaggini. - Nau.ch

Nau.ch: Nach 5,5 Wochen haben Sie aus China ein Feedback erhalten, wie ist das ausgefallen?

Gaggini: Das Feedback fiel prinzipiell positiv aus, unsere Gruppe stiess auf Interesse. Es hat sich aber gezeigt, dass die Kommunikationswege sehr langsam sind. Es dauerte jeweils sehr lange, bis man wieder eine Rückmeldung erhalten hat. Ich musste mehrfach wieder anschieben.

Es wurde uns auch immer mitgeteilt, dass da noch eine andere Gruppe interessiert ist, die sehr nahe am Abschluss stehe – dies, um wohl Druck auf unsere Investoren zu machen. Das waren jetzt offensichtlich die US-Amerikaner, die nun zum Zug kommen. Am Schluss war der Faktor Zeit sicher mitentscheidend, nehme ich an.

Nau.ch: Was hätte Ihre Gruppe den Chinesen für GC geboten? Zumal man munkelt, dass die US-Investoren den Chinesen gar nichts bezahlt haben?

Gaggini: Wir haben in unserer Absichtserklärung geschrieben, dass unsere Gruppe grundsätzlich bereit ist, für die Aktienanteile (96,5 Prozent) zwischen zehn und fünfzehn Millionen Franken zu bezahlen. Natürlich unter Vorbehalt einer sauberen Due-Diligence und auf der Basis eines sauberen Geschäftsabschlusses. Für die nächsten fünf Jahre sollte zudem ein namhafter, zweistelliger Millionenbetrag investiert werden.

Nau.ch: Wie gross war diese Summe?

Spadaro: Wie gesagt, zweistellig.

Nau.ch: Sorry, aber ich brauche etwas mehr Fleisch am Knochen…

Gaggini: Es wären mindestens 50 Millionen Franken auf fünf Jahre hin gewesen. Das wurde auch in der Absichtserklärung an die Chinesen entsprechend kommuniziert.

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Pascal Schürpf schiesst GC am Wochenende zum Derby-Sieg über den FCZ. - keystone

Nau.ch: Wie hätte Ihre Mannschaft ausgesehen? Welche Personen und Investoren wären dahintergestanden?

Spadaro: Wir hatten ein ausgereiftes Projekt, aber sowohl wir wie auch die Investoren haben natürlich eine Vertraulichkeitserklärung mit Konventionalstrafe unterschrieben, sodass die Namen nicht genannt werden können.

Erst wenn wir den Zuschlag erhalten hätten, hätten wir die Investoren und das Management offengelegt. Somit darf und kann ich jetzt, wo klar ist, dass unsere Gruppe nicht zum Zug kommt, diese Namen nicht nennen.

Nau.ch: Das Projekt heisst «Tabula Rasa» – wäre also kein Stein mehr auf dem anderen geblieben oder wie darf man dies genau verstehen?

Spadaro: Es wäre ähnlich gewesen, wie es jetzt die Amerikaner machen.

Nau.ch: Aber unter «Tabula Rasa» versteht man: kommen und sofort handeln. Die Amerikaner sagen, sie kommen, schauen – und ändern dann.

Spadaro: Weil wir ja schon wissen, wie bestimmte Personen in bestimmten Positionen gearbeitet haben. Die haben dazu beigetragen, dass GC jetzt in dieser Situation steckt. Da haben wir unsere Gedanken gemacht und hätten entsprechende Massnahmen getroffen.

Gaggini: Wenn ich da noch ergänzen darf: Dieses «lose, luege, laufe», das die Amerikaner jetzt machen, ist sinnvoll. Vor allem darum, weil sie den Markt, die Super League und diverse Akteure der Schweizer Fussballwelt nicht kennen.

Aus der Sicht von Romano Spadaro und den Investoren, vor allem von denen, die dem Fussballbusiness sehr nahestehen: Die haben das «lose und luege» schon innerhalb der Gruppierung abgedeckt. Man hat sehr gute Kenntnisse über den Markt und die Personen, die infrage kommen könnten. Darum hätten wir «Tabula Rasa» relativ schnell umsetzen können.

Nau.ch: Wer wäre Sportchef geworden und wer Trainer?

Spadaro: Dazu darf und werde ich nichts sagen.

Nau.ch: Aber Sie hätten das alles in der Schublade gehabt und hätten es direkt umsetzen können.

Spadaro: Wie Giovanni gesagt hat: «lose und luege» wäre für unser Projekt schon erledigt gewesen. Also wäre der nächste Schritt bei einer Zusage «laufe» gewesen. Damit wir auf die Saison 24/25 bereit gewesen wären, mit einer gefestigten und guten Mannschaft.

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In den 1990er-Jahren wird GC unter der Führung von Romano Spadaro (rechts, neben Kubilay Türkyilmaz) dreimal Meister und erreicht zweimal die Champions League. - keystone

Nau.ch: Themawechsel. Herr Spadaro: GC macht im Monat eine Million Verlust, wie soll man mit den Hoppers überhaupt Geld verdienen?

Spadaro: Die gleiche Frage könnten Sie auch den Chinesen oder den Amerikanern stellen. Ich bin überzeugt, dass man auf der Kostenseite Reduktionen machen kann. Und ich meine nicht bei der Mannschaft, dort muss man investieren. Aber in der gesamten Infrastruktur wäre es möglich.

Ein möglicher Gedanke: Warum müssen wir im Letzigrund spielen, wo GC eine markante Summe an Miete bezahlt? Wieso können wir mit unseren niedrigen Zuschauerzahlen nicht auch in einer ersten Phase im Campus spielen? Mit temporären Tribünen für die nächsten Jahre. Oder mit einem anderen Partnerclub zusammenarbeiten.

In der gesamten Struktur von GC gibt es auch noch Möglichkeiten zur Kostenreduktion. Aber nur mit sparen geht es nicht – man kann sich auch zu Tode sparen. Ich bin überzeugt: Mit kreativen Menschen kann man auch Einnahmen generieren. Aber ich habe es als erfolgreicher GC-Präsident erlebt: Am Ende vom Tag entscheidet der sportliche Erfolg.

Gaggini: Was man den Amerikanern im Gegensatz zu den Chinesen zugutehalten muss: Sie sind im Sport-Bereich ganz generell top. Sei es im American Football, Baseball, Eishockey oder Basketball: Sie wissen, wie die Maschinerie oder das Marketing funktioniert. Die Chinesen haben jetzt einfach mal etwas versucht, sie haben ja von Xi Jinping quasi die Direktive erhalten, im Fussball zu investieren. Darum ist man hinaus in die Welt, darum hat Fosun zuerst in Wolverhampton und dann bei GC investiert.

Das Projekt hat jetzt halt Schiffbruch erlitten – so wie das Projekt Fussball in China generell Schiffbruch erlitten hat. Die Amerikaner werden das bestimmt hinkriegen, sie sind ein Glücksfall. Und wie Sie sagen: sie haben viel finanzielle Ressourcen und viel Know-How.

Spadaro: Aber nochmal zu den Strukturen zwischen Hauptträgern und Farmteams. Die Vergangenheit mit den Chinesen hat gezeigt, dass die vielen Spielerwechsel von einem Club zum andern nichts bringen. Ich hole mir doch nur einen Spieler, wenn er wirklich besser ist als die, die ich schon habe. Nur wegen dem Zweck, Spieler auszutauschen, weil man eine entsprechende Struktur hat, das bringt nichts. Weder dem Trainer noch dem Club, den Sponsoren, den Gönnern und den Fans.

Nau.ch: Also so, wie es meistens zwischen den Wolves und GC lief, bringt es nichts?

Spadaro: Genau, das bringt nichts. Ich hoffe, dass das mit den neuen Investoren auf einer anderen Qualitätsbasis läuft.

Nau.ch: Romano Spadaro, Sie und Ihre Gruppe haben mit Herzblut für dieses Projekt gekämpft. Wie schmerzhaft ist es, dass es nicht geklappt hat?

Spadaro: Natürlich ist es schmerzhaft. Ich würde lügen, wenn ich das Abstreiten würde. Es ist schmerzhaft, weil ich schon im letzten Interview mit Ihnen im Juli 2022 gesagt habe: mein Herz schlägt für GC, ich war als Dreijähriger zum ersten Mal mit dem Papi auf dem Hardturm. Hoppers-Legende Fredy Bickel hat mir damals sogar eine Autogrammkarte unterschrieben.

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Romano Spadaro mit der Unterschrift von GC-Legende Alfred «Fredy» Bickel (†81). - Nau.ch

Nau.ch: Also die GC-Spielerlegende Fredy Bickel!

Spadaro: Genau, der Spieler. Aber zurück zur Enttäuschung: Es schmerzt nicht nur mich, sondern das ganze Team. Wir haben hart und seriös an unserem Projekt gearbeitet. Aber der Entscheid ging in eine andere Richtung.

Nau.ch: Am Ende hatte der Zentralvorstand das letzte Wort. Warum hat sich dieser nicht auf die Seite einer Schweizer Lösung geschlagen? War das Angebot der Amerikaner zu überzeugend oder die Verhandlungen schon zu weit fortgeschritten?

Spadaro: Ich kenne den ZV, der das oberste Gremium von GC ist. Für ihn wäre eine Schweizer Lösung toll gewesen – eine Zürcher Lösung noch besser. Das haben wir schon vor 3,5 Jahren probiert, damals mit Ahmet Schaefer. Das wäre eine reine Zürcher Lösung gewesen. Jetzt hätten wir eine Schweizer Gruppierung gehabt.

Aber wenn ich die Pressekonferenz der Chinesen vor 3,5 Jahren mit der Pressekonferenz der Amerikaner vergleiche: Dann hat man schon mehr oder weniger die gleichen Aussagen gehört.

Trauen Sie GC in dieser Saison den Sprung unter die Top-6 zu?

Nau.ch: Man hatte schon den Eindruck, dass es unter den Amerikanern wieder mehr Identität geben könnte, dass die näher dran sind und einen CEO suchen, der den Schweizer Markt kennt, einverstanden?

Spadaro: Das stimmt! Sie haben das Hauptproblem erkannt und werden das auch so hoffentlich machen. Sie wollen deutlich mehr Nähe zeigen und werden hoffentlich auch mehr vor Ort sein. Zudem ist die Mentalität ähnlich wie bei uns. Was man aber auch sagen muss: Die Chinesen sind ihren finanziellen Verpflichtungen immer nachgekommen, die Spieler haben jeweils pünktlich ihren Lohn erhalten.

Nau.ch: Was möchten Sie zum Abschluss noch sagen?

Spadaro: Natürlich Hopp GC und viel Glück an die amerikanischen Investoren und dies meine ich ganz ehrlich! Und: Das ist mein einziges Interview, dass ich zu diesem Projekt geben werde, damit ist alles gesagt.

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