Mit einer dreisten Masche wurden bei Spielen des DFB Werbe-Sekunden geklaut. Damit entstand ein Millionenschaden. Ein Schweizer Vermarkter steht im Visier.
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Goalie ter Stegen im Spiel mit der Elf des DFB gegen Peru. Im Hintergrund die Bandwerbungen. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Jahrelang sind Bandenwerber bei Deutschen Nati-Spielen betrogen worden sein.
  • Der Schweizer Vermarkter Infront beschuldigt einen Ex-Manager.
  • Es geht um einen Betrug in Millionenhöhe, wie der Spiegel enthüllt.
  • Infront-Lobbyist Günter Netzer weiss von nichts.

Der Schweizer Sportvermarkter Infront steht in der Kritik. Er soll über zehn Jahre Sponsoren betrogen haben, die sich für Deutsche Nati-Spiele Bandenwerbungen erworben hatten.

Der Deutsche Fussballbund ermittelt, ebenso die Thurgauer Staatsanwaltschaft. Infront schiebt die Schuld auf einen Ex-Manager – und dieser wollte seinen Bschiss sogar noch verkaufen. Aber lesen Sie selbst.

180 Sekunden pro Spiel geklaut

Über zehn Jahre, bis im Herbst 2018, pachtet Infront als Werbevermarkter die Bandenwerbungen bei Freundschafts- und Qualifikationsspielen der Deutschen Nati. Der DFB erhielt dafür einen fixen Betrag. Der Sportvermarkter vermietete die Banden in 30-Sekunden-Slots auf eigene Rechnung weiter. So weit, so gut.

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Rechte an der Bandenwerbung im Zwielicht: Szene aus Deutschland - England in Dortmund im Jahr 2017. - Keystone

Sponsoren wie Commerzbank oder Bitburger kaufen sich für die Länderspiele entsprechende Slots. Doch: Diese liefen nur 29 Sekunden. Und keiner merkt es!

In einem Spiel über 90 Minuten ergibt das ein Total von 180 geklauten Sekunden. Oder: Platz für sechs weitere lukrative Bandenanzeigen, die offenbar unter der Hand weiterverkauft wurden.

Jahrelang fällt der Betrug niemandem auf. Und das, obwohl der DFB das Recht gehabt hätte, die Verträge zwischen Infront und den Werbekunden abzuzeichnen.

Infront spricht von Einzeltäter

Im Mai gesteht Infront öffentlich, dass es bei der Vergabe der Werbebanden zu Unregelmässigkeiten kam. Ein ehemaliger Manager soll die Extrazeit heimlich verkauft und das Geld in die eigene Tasche gesteckt haben.

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Infront-Chef Philippe Blatter (rechts). - Keystone

«Wir sind zutiefst schockiert. Wir haben strenge ethische Standards. Und erwarten von unseren Mitarbeitern, dass sie sich strikt daran halten», wurde Infront-Chef Philippe Blatter damals zitiert. Übrigens der Neffe von Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter.

Recherchen des «Spiegel» zeigen: Die Einzeltäter-Theorie sei unrealistisch.

Sogar der beschuldigte Manager lässt verlauten, dass andere Infront-Chefs involviert gewesen seien. Und: Obwohl Infront offenbar bereits im Februar 2018 vom Betrug erfährt, laufen drei weitere Spiele nach dem gleichen Muster ab.

Dreister Ex-Manager geniesst Bungalow-Villa

Im Zuge der Recherchen besucht der «Spiegel» den ehemaligen Infrontler. In der Bungalow-Villa mit Seeblick gehe auf Anraten des Anwalts die Tür rasch wieder zu.

Warum kam die Sache überhaupt ans Licht? Offenbar war der Ex-Infront-Mann dreist genug, einen Anwalt zu den betrogenen Firmen zu schicken. Dieser sprach von einem Mandanten, der erklären könne, wie sie bei Länderspielen abgezockt worden seien. Gegen eine Provision!

DFB prüft Ausstieg

Inzwischen hat der Schweizer Sportvermarkter den betrogenen Sponsoren Entschädigungen angeboten. Infront rechnet mit einem Gesamtschaden von rund sechs Millionen. Gleichzeitig prüft der DFB den Ausstieg aus den restlichen Infront-Verträgen.

Beim Verband glauben laut Spiegel nicht wenige, dass hinter dem Betrug kein Einzeltäter, sondern ein System steckt. Wegen des Imageschadens wird geprüft, ob und in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch besteht.

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Günter Netzer vermittelte für Infront, sei aber nie bei Bandenwerbungs-Verhandlungen mit dem DFB involviert gewesen. - Keystone

Fussball-Legende Günter Netzer, über Jahre hinweg wichtigster Lobbyist bei Infront, wolle von der ganzen Sache übrigens nichts wissen. Er sei bei vertraglichen Verhandlungen zwischen DFB und Infront in Sachen Bandenwerbung nie beteiligt gewesen.

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