Ein iranischer Judoka hat grossen Mut bewiesen - und muss nun dafür bezahlen. Er hat Angst um seine Familie, traut sich nicht in die Heimat zurück. Die Regierung wollte ein drohendes WM-Duell mit einem Israeli verhindern, Saeid Mollaei ignorierte die Order aus Teheran.
Mutiger Mann: Der iranische Judoka Saeid Mollaei widersetzte sich bei der WM in Tokio einem Befehl der Regierung. Foto. Tatan Syuflana Foto: Tatan Syuflana
Mutiger Mann: Der iranische Judoka Saeid Mollaei widersetzte sich bei der WM in Tokio einem Befehl der Regierung. Foto. Tatan Syuflana Foto: Tatan Syuflana - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der iranische Judoka Saeid Mollaei traut sich nach einer von ihm ignorierten Anordnung bei der Weltmeisterschaft in Tokio in einem politisch brisanten Fall nicht in sein Heimatland zurück.

«Ich habe Angst davor, was meiner Familie und mir passieren könnte», sagte der 27-Jährige in einem am 2. September vom Weltverband IJF veröffentlichten Interview.

Weil Mollaei eine strikte Anweisung der Regierung nicht befolgte und am 28. August zum Halbfinale gegen den Belgier Matthias Casse antrat, drohen dem Ex-Weltmeister und seiner Familie im Iran Repressionen. Mollaei soll sich laut Medienberichten mit einem deutschen Visum in Berlin aufhalten. Möglicherweise wird der Iraner bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio unter einer anderen Flagge starten.

Titelverteidiger Mollaei wurde am Tag des Halbfinal-Kampfes vom stellvertretenden iranischen Sportminister Davar Zani angewiesen, sich von der WM zurückzuziehen. Denn im Fall des Finaleinzugs hätte Mollaei gegen den Israeli Sagi Muki antreten müssen - dies sollte unbedingt verhindert werden. Mollaei kämpfte dennoch gegen Casse, verlor das Duell aber und wurde WM-Fünfter.

Kurz vor dem Halbfinale, das er laut Anweisung Teherans absichtlich verlieren sollte, bekam der Judoka noch einen Anruf von Irans NOK-Chef Reza Salehi Amiri. Der Sportfunktionär teilte ihm mit, dass Sicherheitskräfte beim Haus seiner Eltern waren.

Mollaei macht sich nun grosse Sorgen. «Ich habe heute vom Weltmeistertitel geträumt. Aber das war nicht mein Schicksal», sagte er in dem Interview. «Ich konnte nicht kämpfen wegen der Gesetze in meinem Land und weil ich Angst vor den Konsequenzen für meine Familie und mich selbst habe», sagte der Athlet. «Alles, was ich heute getan habe, war für mein Leben, für ein neues Leben», sagte Mollaei.

IJF-Präsident Marius Vizer habe ihm Unterstützung angeboten, damit er bei den Olympischen Spielen starten kann, sagte Mollaei, «damit mein Traum wahr wird und ich Olympiasieger werden kann».

NOK-Chef Amiri sagte derweil, Mollaei brauche sich vor einer Rückkehr in seine Heimat nichtb zu fürchten. «Ich habe Mollaei bereits Bescheid gegeben und versichert, dass er bei einer Rückkehr keine Angst um sich und seine Familie haben sollte», so Amiri in einem Schreiben an den IOC-Präsidenten Thomas Bach.

Nach Angaben des Nachrichtenportals Khabar-Online unterstellte Amiri dem Weltverband IJF «ein im Voraus geplantes Szenario» gegen den Iran. IJF-Präsident Vizer warf er in dem Schreiben zudem vor, Mollaei zu einem Asylantrag in Deutschland «ermuntert» zu haben.

Erst im Mai hatte das Nationale Olympische Komitee des Iran angekündigt, die olympische Charta und ihr Diskriminierungsverbot uneingeschränkt zu respektieren. Damit stünde in Zukunft Wettkämpfen zwischen iranischen und israelischen Sportlern nichts mehr im Weg.

Seit mehreren Jahrzehnten treten iranische Sportler nicht gegen israelische Kontrahenten an, weil der Iran Israel als Staat nicht anerkennt. Auch im Judo kam es in der Vergangenheit immer wieder zu plötzlichen Verletzungen oder anderen Vorkommnissen, damit Iraner ein Duell mit einem Israeli boykottieren konnten.

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