KI als Paartherapeut? Warum menschliche Berater unersetzlich sind
Der scheinbare Triumph der Technologie sorgt für Diskussionen. Fachpersonen aus der Paarberatung zeigen auf, wo die Stärken der menschlichen Beratung liegen.

Einer neuen Studie im Journal «Plos Mental Health» zufolge fühlen sich Paare in einer Beratung durch künstliche Intelligenz (KI) oft besser aufgehoben als bei einer echten Fachperson.
Das schreibt das Kompetenzzentrum für Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich in einer Medienmitteilung.

Der scheinbare Triumph der Technologie sorgt für Diskussionen und wirft grundsätzliche Fragen auf, wie künftig mit Beziehungsarbeit umgegangen wird.
Fachpersonen aus der Paarberatung ordnen diese Entwicklung differenziert ein und zeigen auf, wo die Stärken menschlicher Begleitung liegen.
Schnelle Antworten, fehlende Tiefe
Tatsächlich bieten KI-gestützte Programme niederschwelligen Zugang und eine gewisse Anonymität. Doch Fachpersonen aus der Paarberatung sehen klare Grenzen.
«Eine KI mag gut strukturierte Ratschläge geben und neue Sichtweisen einbringen. Hingegen kann sie keine echte emotionale Resonanz entwickeln und kein intuitives Verstehen aufbringen», betont die Psychologin und Paarberaterin Sarah Geter.
Zwischentöne und Dynamik erkennen
Der direkte Kontakt zu einem Berater ermöglicht es, nicht nur auf das Gesagte, sondern auch auf Zwischentöne, Körpersprache und die Dynamik der Paare einzugehen.

«Gerade in angespannten Momenten ist es zentral, dass eine Fachperson empathisch vermittelt, deeskaliert und den Raum hält», erklärt Psychologin und Paarberaterin Cynthia Jucker.
Jede Beziehung ist einzigartig
Moderne KI basiert auf künstlichen neuronalen Netzen und arbeitet als statistisches Modell. Sie wurde mit grossen Mengen an Sprache trainiert und kann berechnen, welches Wort wahrscheinlich als Nächstes kommt. Aber KI kann nicht von sich aus neues Wissen lernen. Sie muss dafür erneut trainiert werden.
In der Paarberatung ist das ganz anders: Wir müssen ständig Neues über die Menschen vor uns erfahren. Jede Beziehung ist einzigartig. Es gibt keine Lösung, die für alle passt.
«In der individuellen Beratung geht es um persönliche Geschichten, kulturelle Hintergründe und komplexe Gefühle. Diese ergeben im Gespräch oft neue Bedeutungen oder Zusammenhänge, die eine KI nicht erfassen kann. Ausserdem kann eine KI Dinge erfinden, sogenannte Halluzinationen. Diese präsentiert sie aber so, als wären sie wahr», erklärt David Siegenthaler, Paartherapeut und Sexualberater.
Vertrauen braucht echte Begegnung
Und schliesslich: Beziehungskrisen sind oft von Scham, Unsicherheit und Angst geprägt.

«Das Vertrauen, das in einer echten Beratung entsteht, schafft die Grundlage für Entwicklung. Es entsteht ein geschützter Raum, in dem neue (Beziehungs-)Erfahrungen gemacht werden können», sagt Noëmi Ruther, Psychologin und Paarberaterin.
Menschliche Begleitung bleibt zentral
KI kann unterstützend wirken und erste Impulse bieten. Doch wenn es um echte Transformation, Verarbeitung belastender Erfahrungen und um tiefgreifende Beziehungsmuster geht, bleibt die direkte Begleitung durch eine erfahrene Fachperson unersetzlich.
Denn: Keine Maschine kann die menschliche Verbindung ersetzen, die Beziehungen letztlich stärkt.