Zuger Bildungsdirektor fordert von Lehrpersonen pro-Israel-Haltung
Der Bildungsdirektor im Kanton Zug hat einen Brief an Lehrpersonen geschrieben. Darin steht, es gebe kein «Ja, aber» bei Diskussionen um den Nahost-Konflikt.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Angriff der Hamas auf Israel und die Vergeltung Israels ist auch an Schulen ein Thema.
- Der Zuger Bildungsdirektor fordert in einem Brief, es dürfe kein "Ja, aber…" geben.
- Die oberste Lehrerin reagiert: Von Schuldzuweisungen solle man absehen.
Seit dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel Anfang Oktober wird heftig über den Nahost-Konflikt und Schuldzuweisungen diskutiert. Antisemitische Vorfälle haben stark zugenommen und Demonstrationen für Palästina wurden verboten. Doch die Diskussionen finden nicht nur auf der Strasse und in der Politik statt, sondern auch an Schulen.
Das weiss der Zuger Bildungsdirektor Stephan Schleiss (SVP). Er hat darum einen offenen Brief an Lehrpersonen und Schulleitungen sowie die Zuger Pädagogische Hochschule geschrieben. Darin sagt Schleiss: Es soll kein Relativieren geben, wenn es um Terrorismus geht.

Schleiss zitiert den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz: «Es darf kein ‹Ja, aber...› geben.» Deutschland hat sich seit dem 7. Oktober 2023 fest auf der Seite Israels positioniert.
Der Zuger Bildungsdirektor schreibt weiter, Scholz habe damit «die Diskussion auf ein humanistisches und demokratisches Fundament gestellt». Keine Kritik an die israelische Politik rechtfertige den Hamas-Terror, so Schleiss: «Kein ‹Ja, aber...›, wo es um Terrorismus geht – das ist das Fundament der Debatte.»
Die Schulen müssten das Fundament für Humanismus und Demokratie legen. «Freiheit und Sicherheit sind nicht einfach Gott gegeben oder da», so Schleiss. Diese Werte gelte es vorzuleben, zu vermitteln und einzufordern – aber auch zu verteidigen.
Brief ist «kein Maulkorb» – aber «ungewöhnlich»
Müssen sich also alle Zuger Lehrpersonen im Unterricht pro-Israel positionieren? Der Brief sei nicht als Maulkorb oder Instruktion gemeint, sagt Stephan Schleiss zum «Tagesanzeiger». Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die Debatte sachlich geführt werden müsse.
Die Reaktionen auf sein Schreiben seien zum Teil positiv ausgefallen, zum Teil aber auch missfällig, so der Regierungsrat. Der Zuger Lehrerinnen- und Lehrerverein wusste nichts von Schleiss’ Vorhaben. Der Co-Präsident Pascal Christen erfuhr erst aufgrund der Medienanfrage von ihm. «Wir wären schon gerne darüber orientiert worden, wenn der Bildungsdirektor solche Informationen weitergibt», so Christen.
Problematisch sei der Inhalt aber nicht, sagt er. Es sei richtig, insbesondere im Kanton Zug, mit vielen Schülerinnen und Schüler mit Migrationsgeschichte, internationale Themen anzusprechen. Aber ungewöhnlich.
Lehrerverband: Zweck des Briefs nicht klar
Die oberste Lehrerin, Dagmar Rösler, sagt zum Brief: «Die Aufgabe der Schule ist es, hinzuhören und sachlich und neutral zu erklären. Aber sicherlich keine Schuldzuweisungen zu machen.»

Aufgrund der aufeinander prallenden Weltsichten sei es wichtig, im Klassenzimmer sachlich zu bleiben. Und auch falsche von richtigen Informationen zu trennen, um eine fundierte Meinungsbildung zu ermöglichen. Die kantonalen Bildungsdirektionen könnten durchaus als Hilfeleistung einen Brief dazu schreiben. Aber beim Zuger Brief sei Rösler nicht ersichtlich, welcher Zweck erfüllt hätte werden sollen.
Die Präsidentin des Lehrerinnen- und Lehrerdachverbands habe schon selbst im Klassenzimmer erlebt, wie eine Diskussion zum Nahost-Konflikt beinahe eskaliert wäre. «Ein muslimischer Schüler wurde von anderen provoziert», schildert sie. Da habe sie mit den Schülerinnen und Schüler hinsitzen und diskutieren müssen.
Auch die Medienkompetenz lasse beim Thema Nahost-Konflikt zu wünschen übrig, sagt Rösler. «Ein Schüler meinte: Ich weiss, wer schuld ist. Das habe ich auf Insta gelesen.»