Eine Analyse zeigt zweierlei: 3000 Personen befinden sich als «Gefährder» auf einer Liste der Kantonspolizeien. Und zwei Drittel von ihnen stehen dort unberechtigt. Für Gregor Rutz (SVP) und Min Li Marti (SP) birgt die Praxis des «Predictive Policing» Gefahren.
«Predictive Policing» ist sinnvoll, birgt aber auch Gefahren, finden SP-Nationalrätin Min Li Marti und SVP-Nationalrat Gregor Rutz. - Nau
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Das Wichtigste in Kürze

  • Dass bei der Polizeiarbeit auch Unschuldige ins Visier geraten, ist aus der Sicht von Parlamentariern unvermeidlich.
  • Für Gregor Rutz (SVP) ist klar, dass die Polizei beim «Predictive Policing» sehr vorsichtig sein muss.
  • Für Min Li Marti (SP) ist es kontraproduktiv, zu viele Personen auf die Gefährder-Liste zu setzen.

Zwei von drei Personen stehen zu Unrecht auf der Polizei-Liste der Gefährder (Nau berichtete). Eine Software ermittelt mit Hilfe eines Algorithmus’, wer künftig eine Straftat begehen könnte – von häuslicher Gewalt bis zu Terrorismus. Brisant: Der Algorithmus liegt in zwei von drei Fällen falsch.

Min Li Marti hat Fichenaffäre in Erinnerung

SP-Nationalrätin Min Li Marti sieht die Notwenigkeit, dass die Polizei allen Verdachtsfällen nachgehe. Dies gehöre zu normalen Ermittlungen dazu, findet sie im Nau-Interview. Problematisch werde es dann, wenn den «Gefährdern» Nachteile entstünden, wenn sie ungleich behandelt würden. Denn solange sie nicht für eine Straftat verantwortlich gemacht werden können, gäbe es dafür keine Rechtfertigung.

Zentral ist für Marti, dass die Polizei bei diesen heiklen Abwägungen die Daten nicht weitergebe und die «Gefährder» informiere – und dass die Daten gelöscht werden, wenn sich der Verdacht der Polizei nicht erhärte. Ausserdem würden zu viele Personen auf der Gefährder-Liste die Ermittlungen der Polizei erlahmen lassen.

Angesprochen auf die Fichenaffäre betont die SP-Nationalrätin, dass die Behörden den Erfahrungen in der Vergangenheit Rechnung tragen müssten. Es dürfe nicht noch einmal zu einem ähnlichen Skandal kommen. In den 1980er Jahren kam aus, dass Schweizer Behörden während des Kalten Kriegs 900'000 Akten von Schweizerinnen und Schweizern angelegt hatten.

Gregor Rutz sieht Missbrauchspotenzial

Am anderen Ende der Politlandschaft steht Gregor Rutz. Der SVP-ler sieht die Gefährder-Listen jedoch auch als Gratwanderung für die Polizeibehörden: Einerseits müsse die Polizei Bedrohungen wahrnehmen und auf Terrorismus reagieren. Andererseits besteht die Möglichkeit des Missbrauchs, stellt er im Nau-Interview fest.

Nicht verurteilte Personen zu registrieren und auf eine Liste zu setzen sei heikel, die Behörden müssten sehr sorgfältig arbeiten. Die Speicherung der Daten über zehn Jahre mache Sinn. Ein spezielles Gesetz des Bundes, um zu definieren was gefährlich sei, ist für Rutz nicht nötig.

Der Kanton Zürich ist für die Hälfte aller Gefährder verantwortlich (1500). Diese Zahlen sind für Gregor Rutz nicht weiter erstaunlich. Schliesslich sei Zürich auch ein sehr grosser Kanton. Zudem gaben nicht alle Kantone, welche eine Gefährder-Liste führen, preis, wie viele Personen sich auf ihrer Liste befinden.

Die beiden Nau-Interviews mit Min Li Marti (SP) und Gregor Rutz (SVP) in voller Länge:

SP-Nationalrätin Min Li Marti plädiert für Augenmass. - Nau
Für SVP-Nationalrat Gregor Rutz rechtfertigt die Terrorismus-Gefahr das Vorgehen bis zu einem gewissen Punkt. - Nau
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