Benjamin Zürcher (Junge EVP) provozierte mit einem Tweet gegen «Homo-Ehe» und «Klimahysterie». Das Resultat: ein waschechter Shitstorm bis weit über die Grenze.
Benjamin Zürcher EVP
Benjamin Zürcher und sein umstrittener Tweet. - Twitter
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Das Wichtigste in Kürze

  • Zürcher twitterte gegen in progressiven Kreisen populäre Anliegen.
  • Den Shitstorm, den er dafür kassierte, nimmt er in Kauf.
  • Er äussere seine Meinung nicht, um möglichst viel Zustimmung zu erhalten, sagt er zu Nau.

Er ist erst 18 Jahre alt, hat aber die Kunst der Provokation schon gemeistert: Benjamin Zürcher, EVPler aus Leimbach TG. Am vergangenen Wochenende löste er einen Shitstorm mit Ansage aus.

«Ich bin 18 Jahre jung und gegen die Homo-Ehe, gegen Stimmrechtsalter 16, gegen Klimahysterie, gegen die Cannabis-Legalisierung», schrieb er in den Äther. «Ich habe das Gefühl, alleine dies macht mich schon zu einer provokanten Reizfigur.»

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Der Stein des Anstosses: der Tweet von Benjamin Zürcher (junge EVP). - Twitter @BenjaminZrcher1

Riesiger Shitstorm gegen Zürcher

Der Jungpolitiker sollte recht behalten. Sein Tweet löste Reaktionen aus; sarkastische, geharnischte, dezent verständnisvolle, wütende, konsternierte und vor allem: viele. Bis Montag Mittag antworteten über 3200 Menschen auf Zürchers Tweet. Darunter Kolumnist und Moderator Micky Beisenherz (RTL 2, WDR, Stern) und Tommy Krappweis, Erfinder der Kultserienfigur Bernd das Brot.

«Bist du eigentlich dumm?», fragt Letzterer. «Ein 18-jähriger verklemmter Lauch zu sein, ist nichts Besonderes, Benjamin», findet ein User. «ok boomer», ein anderer.

«Keine Angst, ich hatte mit 18 auch noch einige richtig beschissene Meinungen», ist noch eine der netteren Wortmeldungen. «Mein Alptraum wäre, mit meinem 18-25-jährigen Ich irgendwo für immer gefangen zu sein. Was ich damals alles geglaubt/gesagt habe. Kann ich heute keinem erzählen ohne mich zu schämen», ergänzt eine Userin.

EVP Benjamin Zürcher
Die Twitter-user @CFredSchulze und @Glasmerleperle haben zumindest ein wenig Verständnis für Benjamin Zürcher.
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User @FritzandOscars antwortet auf den Tweet von Benjamin Zürcher.
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Ein Twitter-User wünscht Benjamin Zürcher ein schlimmes Ungeschick.
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Fernseh-Moderator Micky Beisenherz wünscht Benjamin Zürcher alles Gute.
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Benjamin Zürcher musste auf Twitter einiges einstecken.

Die Geister, die er rief

Ein konservativer Jungpolitiker aus dem Thurgau mitten in der internationalen links-progressiven Filterbubble auf Twitter. Ein Politiklehrling unter den Geistern, die er selber rief. «Ich erlebte ungeheuren Hass und Hetze», so Zürcher.

Er findet es traurig, dass man gleich als Klimawandel-Leugner gelte , wenn man die Hysterie in der Klimadebatte kritisiert. Oder als Schwulenhasser, wenn man gegen die Eheöffnung sei.

Zürcher bereut seinen Tweet trotzdem nicht: «Für mich hat jemand mehr Erfolg, wenn er in der Befürchtung auf Verleumdungen trotzdem seine freie Meinung äussert, als einer, der seine Meinung in der Hoffnung auf möglichst viel Zustimmung sagt», erklärt er gegenüber Nau.ch. «Ich merkte, dass grosse Teile der heutigen Gesellschaft ein gewisses Gesinnungsbild verkörpert, an das alle glauben sollten. Wer gegen den Mainstream ist, wird verachtet.»

Überschwappende Wut

Einmal gereizt, macht sich die erboste Netzgemeinde auf die Suche nach weiterer Beute. Und findet sie in der Form eines harmlosen Selfies von Zürcher am Bahnhof Weinfelden. «Auf dem Weg zur Vorstandssitzung und MV der *jevp CH», textet er dazu, für einmal ganz ohne Provokation.

Doch die Geister wird der Jungpolitiker nun nicht los. Es hagelt Beleidigungen, nicht mehr zu Zürchers provokantem Statement einige Stunden zuvor, sondern zu seinem Aussehen.

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Benjamin Zürcher wurde auf Twitter auch für andere Posts heftig angegriffen. - Twitter

Erniedrigende Antworten

«Unter diesem Tweet sammelten sich viele Antworten, die ich als sehr erniedrigend empfand», antwortet Zürcher. «Aber ja, mein Äusseres hat Macken. Und zu diesen möchte ich auch stehen. Denn ich glaube, dass mein Körper nichts über meinen Wert und meine Würde als Mensch aussagt.»

Jetzt schwanken die Reaktionen zwischen «Tja, wer sich exponiert, muss mit sowas rechnen» bis «Inhaltliche Kritik ist okay, Beleidigungen nicht.» Die Twittergemeinde, sie nimmt sich plötzlich an der eigenen Nase.

Die inhaltliche Diskussion, allerdings, die bleibt bis zum Schluss aus. Warum man nun für oder gegen die Ehe für alle, Cannabis-Legalisierung, Stimmrechtsalter 16 und energische Klima-Politik sein soll, darüber diskutiert niemand.

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