US-Wahlen: Millionen wählen vorzeitig – wer profitiert?
Das Wichtigste in Kürze
- Wahlbegeisterung: Millionen US-Stimmberechtigte haben bereits vorzeitig gewählt.
- Vielerorts werden die bisherigen Rekorde regelrecht pulverisiert.
- Es wählen mehr Demokraten als Republikaner – doch was heisst das in der Endabrechnung?
«Schon fünf Millionen!», «über 19 Millionen» und nach dem aktuellen Stand bereits 27 Millionen: Die US-Medien überschlagen sich mit immer neuen Rekordmeldungen.
US-Stimmberechtigte haben es offenbar kaum erwarten können, bis sie endlich in der Präsidentschaftswahl wählen konnten.
Die bisherigen Rekorde der vorzeitigen Stimmabgabe – persönlich oder brieflich – werden zum Teil um ein Mehrfaches übertroffen. Es wird erwartet, dass weit mehr als die 150 Millionen Personen des Wahlgangs von 2020 wählen gehen werden.
Mehr Demokraten als Republikaner: Ein Vorteil?
Weil in den meisten Bundesstaaten erfasst wird, in welcher Partei jemand registriert ist, weiss man ungefähr, wer da mobilisiert wurde.
Demnach stammen 43 Prozent der bereits abgegebenen Stimmen von Demokraten, 39 Prozent von Republikanern. Die restlichen 18 Prozent verteilen sich auf «andere» und Parteiunabhängige.
Würdest du Donald Trump oder Kamala Harris wählen?
Doch versetzt dies das Team um Kamala Harris längst nicht in Feierlaune. Die nackten Zahlen bedeuten noch sehr wenig – unter anderem, weil es nicht auf das nationale Total ankommt. Sondern auf die Ergebnisse in den umkämpften «Swing States».
Gerade bei diesen zeigt sich: Das Rennen bleibt offen. In den sieben «Swing States» ist in dreien mehrheitlich Demokraten bereits wählen gegangen (Michigan, Pennsylvania und North Carolina).
In drei weiteren aber eine republikanische Mehrheit (Nevada, Arizona und Georgia). Und ja, einer bleibt übrig: In Wisconsin liegt gemäss dieser Betrachtungsweise der Kandidat «Andere» vorne.
So dienen die Daten primär den Kampagnenstrategen dazu, diejenigen Bevölkerungsgruppen abzuhaken, die schon gewählt haben. Im Schlussspurt des Wahlkampfs können sie sich dann auf die Mobilisierung der übrigen Gruppen konzentrieren.
Das lässt Trump und Harris hoffen
Wenn man etwas tiefer in die spärlich vorhandenen Daten gräbt, können sich beide Lager Hoffnungen machen. Donald Trump macht sich zum Beispiel in Georgia ziemlich gut: Ein Bundesstaat, den er 2020 knapp verlor und der bei den Senatswahlen zuletzt Demokraten wählte.
Im demokratischen Lager wird zudem befürchtet, dass sich die Mehrheit der als «Andere» registrierten Wählenden für Trump entscheiden könnte. Andere geben zu bedenken, dass viele Republikaner Harris wählen oder leer einlegen werden.
Jedenfalls mehr als bei den Demokraten registrierte sich für Trump entschieden – oder sich bereits entschieden haben. Denn wie jemand gewählt hat, das geht aus den Statistiken nicht hervor.
Harris-Anhänger machen sich auch Hoffnungen, weil bis jetzt vor allem ältere Personen wählen gegangen sind. Diese wählen tendenziell eher republikanisch – und trotzdem scheint Harris bereits in Führung zu liegen. Jetzt müssten nur noch die jüngeren Generationen ebenfalls so fleissig zur Urne gehen wie die älteren.
Viel wichtiger als das Alter scheint aber in dieser Wahl das Geschlecht zu sein. Hier liegen die Frauen (53 Prozent) klar vor den Männern (45 Prozent). Und die Frauen sind zugleich sauer und begeistert.
Sauer wegen der immer absurderen Abtreibungsverbote, aber begeistert von Kandidatin Kamala Harris. Ob diese Interpretation berechtigt ist, wenn bis jetzt vor allem ältere Frauen wählen gegangen sind?
Argument der «gestohlenen Wahl» wird für Trump schwierig
Anders als 2020, inmitten der Pandemie, wirbt Donald Trump dieses Mal für die vorzeitige Stimmabgabe. Vor vier Jahren verteufelte der damalige Präsident die Wahl per Post. Stattdessen hielt er seine Anhänger dazu an, persönlich am Wahltag den Wahlzettel auszufüllen.
Als dann am bei der Auszählung spätabends noch die vorwiegend demokratischen brieflichen Stimmen hinzuaddiert wurden, kam der Aufschrei: Betrug! Plötzlich schwammen Trump die Felle davon.
Solches scheint dieses Jahr weniger wahrscheinlich. Wenn ähnlich viele Wählerinnen und Wähler aus beiden Lagern ihre Stimme vorzeitig abgeben, dürfte sich ein solcher «Schock» kaum wiederholen. Die Lüge der gestohlenen Wahl wäre dann kaum glaubwürdig zu vertreten.