Nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Bolivien und landesweiten Massenprotesten hat Staatschef Evo Morales Neuwahlen angekündigt.
Evo Morales bei einer Pressekonferenz am Sonntag
Evo Morales bei einer Pressekonferenz am Sonntag - Bolivian Presidency/AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • OAS: Schwerwiegende Unregelmässigkeiten bei Wahl im Oktober.

Der linksgerichtete Präsident verkündete am Sonntag im bolivianischen Fernsehen, er werde «neue nationale Wahlen» einberufen und zudem alle Mitglieder des Obersten Wahlgerichts austauschen. Er machte aber weder Angaben zum Zeitpunkt der Wahlen noch dazu, ob er selbst wieder antreten will.

Kurz vor Morales' Ankündigung hatte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gefordert, dass die bolivianische Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober für ungültig erklärt werden solle.

Morales sagte, er werde «neue nationale Wahlen einberufen, die es dem bolivianischen Volk ermöglichen, durch eine demokratische Abstimmung neue Behörden zu wählen». Dabei sollten «neue politische Akteure einbezogen» werden - der amtierende Präsident liess aber zunächst offen, ob er selbst erneut antreten werde.

Mit seiner Entscheidung wolle er die Lage im Land beruhigen, sagte Morales mit Blick auf die Massenproteste der vergangenen Wochen. Alle Bürger seien aufgerufen, zu einer Befriedung der Situation beizutragen.

Morales kündigte überdies an, es werde «in den kommenden Stunden» eine Parlamentssitzung zu der Frage geben, mittels welcher Verfahren eine Neubesetzung der Wahlkommission erfolgen solle. Mit der Neubesetzung kommt Morales einer zentralen Forderung der Opposition nach, die dem Gremium Wahlfälschung vorgeworfen hatte.

In einem vorläufigen OAS-Bericht vom Sonntag hiess es, dass es bei der Stimmauszählung Unregelmässigkeiten in beinahe jedem untersuchten Bereich gegeben habe. Die Organisation könne die «Ergebnisse der untersuchten Wahl nicht bestätigen», weshalb ein «neuer Wahlprozess» unter «neuen Bedingungen» empfohlen werde - unter anderem mit einer neu besetzten Wahlkommission.

Die «Manipulationen» bei der Wahl seien «derart schwerwiegend gewesen, dass sie vom bolivianischen Staat eingehend untersucht werden müssen, um dem auf den Grund zu gehen und Verantwortlichkeiten in diesem ernsten Fall benennen zu können», erklärte die OAS. Zwar sei es möglich, dass Morales in der ersten Wahlrunde auf Platz eins gekommen sei. Es sei aber «statistisch unwahrscheinlich», dass er die zehn Prozentmarke geknackt habe, die für die Vermeidung einer zweiten Wahlrunde erforderlich ist.

Morales' Herausforderer bei der Wahl, Carlos Mesa, forderte am Sonntag den Rücktritt des Staatschefs, wenn dieser «noch einen Funken Patriotismus» habe. Auch einer der Anführer der Protestbewegung, Luis Fernando Camacho, forderte Morales' Rücktritt. Bürgerkomitees, die der Protestbewegung Auftrieb verliehen hatten, forderten, dass sowohl Morales als auch Mesa bei Neuwahlen nicht mehr antreten sollten.

Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini begrüsste die Ankündigung von Neuwahlen. «Alle Parteien, vor allem die Behörden», müssten nun ihrer demokratischen Verantwortung gerecht werden und neue Gewalt verhindern. Papst Franziskus rief die Bolivianer auf, das endgültige Ergebnis der OAS-Prüfung mit «Frieden und Ruhe» abzuwarten.

Bei den Protesten infolge der Präsidentschaftswahl kamen bislang drei Menschen ums Leben, mehr als 250 weitere wurden verletzt. Zuletzt spitzte sich die Lage in dem südamerikanischen Land weiter zu. Am Samstag besetzten Demonstranten die Zentralen zweier Staatssender. Am Freitag hatten sich zudem Einheiten der Elite-Polizeieinheit Utop in mehreren Städten auf die Seite der Demonstranten gestellt.

Morales rief am Samstag alle im Parlament vertretenen Parteien zum Dialog auf. Die Opposition schlug das Gesprächsangebot aus. Die einflussreichen Bürgerkomitees hatte der Präsident ausdrücklich von seinem Angebot ausgeschlossen.

Morales ist seit 2006 an der Macht. Seine Kandidatur für eine vierte Amtszeit war heftig umstritten. Boliviens Verfassung hätte eine weitere Kandidatur des Präsidenten eigentlich nicht zugelassen, das Verfassungsgericht gestand Morales 2017 dennoch das Recht auf eine weitere Amtszeit zu.

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