Die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland ist nach Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe deutlich gestiegen.
Obdachloser in Bremen
Obdachloser in Bremen - dpa/dpa/picture-alliance
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Das Wichtigste in Kürze

  • Forderungen nach Umdenken in der Wohnungspolitik.

Nach letzten verfügbaren Zahlen sei von einer Steigerung um 15 bis 20 Prozent von 2016 auf 2017 auszugehen, teilte der Verband am Dienstag in Berlin mit. Demnach waren im Laufe des Jahres 2017 geschätzt etwa 650.000 Menschen ohne Wohnung, darunter 375.000 anerkannte Flüchtlinge. Der Sozialverband VdK forderte ein Umdenken in der Wohnungspolitik.

Als Hauptgründe für die Steigerung nennt die Arbeitsgemeinschaft «das unzureichende Angebot an bezahlbarem Wohnraum, die Schrumpfung des Sozialwohnungsbestandes und die Verfestigung von Armut». Es fehle an bezahlbaren Wohnungen für Menschen mit niedrigem Einkommen und Empfänger staatlicher Transferleistungen, sagte Verbandsgeschäftsführerin Werena Rosenke. «Benötigt werden pro Jahr 80.000 bis 100.000 neue Sozialwohnungen und weitere 100.000 bezahlbare Wohnungen.»

Die Zahl der Wohnungslosen liegt deutlich niedriger als von der Initiative zuvor geschätzt. Grund für die Abweichung nach unten um 210.000 ist ein verändertes Berechnungssystem. Das vorherige Schätzmodell sei «aufgrund fehlender neuer empirischer Studien veraltet» gewesen.

Von den etwa 650.000 Wohnungslosen sind der Bundesarbeitsgemeinschaft zufolge etwa 22.000 Kinder und minderjährige Jugendliche. Rund 48.000 Menschen werden als obdachlos eingestuft, leben also ohne jede Unterkunft auf der Strasse. In diesen Zahlen sind wohnungslose Flüchtlinge nicht enthalten, weil über sie zu wenige Daten vorliegen.

Die Initiative forderte eine deutlich höhere Beteiligung des Bundes an der sozialen Wohnraumförderung. Ausserdem müsse in den Kommunen überall «ein funktionsfähiges System der Prävention von Wohnungsverlusten» installiert werden.

VdK-Präsidentin Verena Bentele sprach von einem «unhaltbaren Zustand». Die Angst, dass die Wohnung unbezahlbar werde, belaste mittlerweile einen Grossteil der Bevölkerung. «Denn Jobverlust, Scheidung, Krankheit oder Unfall können jeden treffen.» Die Politik müsse «endlich mehr bezahlbaren Wohnraum sichern und in sozialen Wohnungsbau investieren». Nötig sei zudem eine funktionierende Mietpreisbremse.

SPD-Fraktionsvize Katja Mast nannte die Zahlen «bedrückend». Es gebe nicht «die eine Antwort im Kampf gegen Armut», erklärte sie. «Umfangreiches Handeln ist gefragt.» Linken-Fraktionsvize Caren Lay forderte ein «öffentliches Wohnungsbauprogramm für mehr Sozialwohnungen». Die Bundesregierung dürfe nicht die Verantwortung auf Länder und Kommunen abschieben.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte «rasche Massnahmen, damit der Bestand an Sozialwohnungen wieder zu- statt abnimmt.» Die Bundesregierung müsse auch beim Kündigungsschutz aktiv werden. Eine seit Jahren bestehende Rechtslücke führe dazu, «dass Mieter bei Mietverzug ihre Wohnung verlieren können ? selbst wenn sie innerhalb der gesetzlichen Schonfrist von zwei Monaten die gesamte Miete nachzahlen».

Nach Ansicht des Eigentümerverbands Haus & Grund liessen sich viele Fälle von Wohnungslosigkeit verhindern, wenn Sozialhilfeträger und Vermieter enger zusammenarbeiten könnten. Es müsse vermieden werden, «dass Mietrückstände und damit Krisensituationen entstehen», so Verbandspräsident Kai Warnecke. Ziel müsse sein, dass die Kosten der Unterkunft oder das Wohngeld «beim Vermieter ankommen und so die Wohnung gesichert wird».

Sozialverbände und Wohnungslosen-Initiativen bemängeln seit langem, dass es keine bundesweit gesicherten Zahlen zu Wohnungslosen gibt. Sie sehen darin ein Hindernis beim effektiven Umgang mit diesem Problem. Das Bundessozialministerium verwies am Dienstag darauf, dass sich ein Referentenentwurf zur «Einführung einer Wohnungslosenberichterstattung» bereits in der Ressortabstimmung befinde.

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