Die kubanische Regierung zieht sich aus dem «Mehr Ärzte»-Projekt zurück. Dies, nachdem der designierte Präsident Brasiliens, Bolsonaro, das Projekt kritisierte.
Kubanische Ärzte stehen mit ihrem Gepäck am Flughafen in Brasilia, bevor sie nach Kuba zurückreisen. Nach dem Streit um das Programm «Mehr Ärzte» zieht Kuba ab Donnerstag seine ersten Mediziner aus Brasilien ab. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Kuba hat die Teilnahme am brasilianischen «Mehr Ärzte»-Programm aufgekündigt.
  • 8300 Ärzte und Pflegepersonen reisen bis Mitte Dezember nach Kuba zurück.
  • Im brasilianischen Gesundheitswesen herrscht nun Unsicherheit.

Nachdem der designierte brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die kubanische Beteiligung am «Mehr Ärzte»-Projekt scharf kritisierte und verschiedene Auflagen ankündigte, hat Kuba den Rückzug aus dem Programm beschlossen. Die vom rechtspopulistischen Bolsonaro kritisierte Vereinbarung zwischen Kuba und Brasilien beinhaltete, dass am Programm beteiligten Ärztinnen und Ärzte nur 30 Prozent ihres Gehalts ausbezahlt bekamen, der Rest ging an den sozialistischen Karibikstaat selbst.

Bolsonaro nannte diesen Zustand «Sklavenarbeit» und bemängelte auch, dass die am Programm Beteiligten ihre Familien nicht nach Brasilien nachziehen durften – obwohl er selbst sich als Kongressabgeordneter 2013 dagegen ausgesprochen hatte.

8300 Ärzte und Pflegepersonen kehren zurück

Bis Mitte Dezember werden über 8300 Ärzte und Pflegepersonen nach Kuba zurückkehren. Die frei gewordenen Stellen sollen hauptsächlich durch brasilianisches Personal besetzt werden. Dieses hatte im «Mehr Ärzte»-Programm auch bisher schon Vorrang bei der Stellenvergabe. Die Kubaner arbeiteten aber insbesondere in schwer zugänglichen Regionen im Landesinnern.

Rodrigo Pacheco, der in Rio de Janeiro als Familienarzt arbeitet und Supervisor im Programm ist, betreut brasilianische und ausländische Ärzte. Im Gespräch mit Nau erklärt er, wie wichtig das Programm für die Gesundheitsversorgung Brasiliens ist. «Viele Menschen, die in abgelegenen Dörfern wohnen, haben dank des Programms zum ersten Mal in ihrem Leben überhaupt einen Arzt gesehen.»

Rodrigo Pacheco ist Familienarzt in Rio de Janeiro. Als Supervisor betreut er brasilianische und ausländische Ärzte im «Mehr Ärzte»-Programm. - Nau

Das von der Regierung Dilma Rousseff 2013 ins Leben gerufene Programm hat die Gesundheitsversorgung in Brasilien deutlich verbessert. Weitere Massnahmen darin waren der Ausbau der Studienplätze in der Medizin und die Ausbildung von mehr Familienärzten, an denen es besonders fehlt.

Laut offizieller Seite sind Plätze besetzt

Von offizieller Seite hiess es letzte Woche, die Plätze seien alle bereits mit brasilianischen Medizinern besetzt. Doch Pacheco bezweifelt, dass die registrierten Ärzte tatsächlich an ihren Arbeitsplätzen erscheinen werden.

«Die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte hat bei den Wahlen Bolsonaro gewählt. Einige von ihnen haben sich aus diesem Grund jetzt für das Programm registriert, um ihn zu unterstützen», erklärt der Mediziner. Andere hätten sich für das Programm gemeldet, um bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erhalten: «Sie werden also eine andere Stelle verlassen, um im Programm zu arbeiten.»

Ärzte aus Kuba beobachten einen zahnärztlichen Eingriff während einer Trainingseinheit in einer Klinik. Kuba verzichtet auf eine lukrative Einnahmequelle und will künftig kein medizinisches Personal mehr nach Brasilien schicken. Der sozialistische Karibikstaat kündigte am Mittwoch den 14.11.2018 an, das Programm «Más Médicos» zu beenden, mit dem jedes Jahr Tausende Mediziner aus Kuba nach Brasilien kommen. - dpa

Und schliesslich würde eine grosse Gruppe von Personen Ende Jahr ihr Studium abschliessen. Diese hätten eine Wartezeit von drei Monaten, um an ihrem neuen Wohnort das Niederlassungsrecht zu erhalten. «Diese Personen werden nach drei Monaten wieder aus dem Programm ausscheiden», erklärt Pacheco.

Grosse Unsicherheit im brasilianischen Gesundheitswesen

2017 hatten sich ebenfalls zahlreiche Brasilianer für das Programm angemeldet. Viele haben damals ihre Stelle nie angetreten. 30 Prozent verliessen ihre Position schon vor Ablauf eines Jahres.

Im brasilianischen Gesundheitswesen herrscht nun grosse Unsicherheit, wie sich die Situation in der kommenden Legislatur entwickeln wird.

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