Pro und contra Windenergie: Eine wichtige Debatte. Dabei kommt es zu «unheiligen Allianzen» von Naturschützern und Klimaskeptikern. Ein Kommentar.
Diese Windenergie-Debatte nervt
Die Windenergie-Debatte kann entgleiten und dann nerven. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Debatte ist wichtig: Erneuerbare Energiequellen haben nicht nur Vorteile.
  • Doch entgleitet die Debatte in Scheinheiligkeit, ist sie zum Vergessen.
  • Ein Kommentar am Beispiel von Windrädern und Vögeln.
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Sie sind gross bis riesig und es könnte einem schon alleine deswegen Angst und Bange werden: Die Windräder, die einen Beitrag zur Energiewende leisten sollten und aus Luftströmung elektrischen Strom erzeugen können. Wie auch bei anderen Kraftwerkstypen verfliegt die Begeisterung oft dann, wenn besagte Stromproduktion «im eigenen Vorgarten» geplant wird.

Umweltschädliche Umweltschützer

So weit, so altbekannt und meist auch irgendwie berechtigt, wenn auch mit einem eigennützigen Anstrich. Kann und soll man aber alles prüfen und miteinbeziehen. Irritierend wird es erst dann, wenn sich unheilige Allianzen bilden: Naturschützer haben Einwände (oder gar Einsprüche) und Klimaskeptiker bejubeln dies nach dem Motto «seht ihr, ich hab es ja schon immer gesagt».

VLAB Windräder Vogelarten
Der Verein VLAB beklagt sich in einem Post bitterlich darüber, dass offenbar Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kein Herz für Vögel hat. - Screenshot Facebook

Das aktuelle Beispiel («leider» aus dem Ausland, aber deswegen nicht weniger schön): Ein deutscher Naturschutzverein, der VLAB, regt sich darüber auf, dass beim Bau von Windrädern auf einige Vogelarten nicht mehr Rücksicht genommen werden muss. Noch dazu von oben herab befohlen durch den Grünen Vizekanzler Habeck.

Das gibt sofort Applaus von denjenigen, die es eben schon immer wussten: Windkraft taugt nichts und diese Grünen noch viel weniger, die sind ja Gift für die Natur.

Alles ist Gift: Es kommt auf die Dosis an

Gift ist wenn schon diese Art der Fingerzeigerei und Schwarz-Weiss-Malerei. Dabei ist es fast schon unerheblich, ob die Behauptung des VLAB überhaupt stimmt, denn eine Quellenangabe fehlt (natürlich). Oder dass der Verein angeblich von Klimaleugnern geführt wird.

Birkhuhn Birkhähne Balztanz
Birkhähne beim traditionellen Balztanz, fotografiert am 23. Mai 2019 in den Waadtländer Alpen. - keystone

Es spielt auch fast keine Rolle, dass einzelne der genannten Vogelarten wie das Alpenschneehuhn in Deutschland kaum vorkommen und wenn, dann nicht in der Nähe von Windrad-Standorten. Ein bisschen eine Rolle spielt, dass Windräder tatsächlich für bestimmte Vogelarten schädlich oder gar tödlich sein können.

Vögel Windkraftwerk fossile Energie
Ein Windrad dreht sich vor der Kulisse des Braunkohlekraftwerks Schkopau, westlich von Halle (D), während ein Vogelschwarm vorbeizieht. - keystone

Was hingegen eine Rolle spielt, ist die Scheinheiligkeit. «Oh, die Klima-Turbos sind Vogelkiller und wir die einzig wahren Beschützer einheimischer Tierwelt», da lachen ja die Alpenschneehühner.

Sag mir, wo die guten alten Grünen sind

Fast schon herzig mutet es an, wenn sich die Aufgeregten darüber beklagen, dass die Umweltschützer sich nicht mehr wie früher wenigstens an Bäume ketten. Jö, man vermisst die gute alte Zeit, als man sich noch über Baum-Umarmer statt Energiepolitiker aufregen konnte?

katze
Eine Katze mit einem roten Halsband - Kapo Bern

Konsequenterweise müssten sich all diejenigen, die in Mitleid mit von Windrädern erschlagenen Kranichen versinken, auch einen Groll auf Hauskatzenbesitzer hegen. Gefahren für Piepmätze drohen schliesslich nicht nur von Rotoren, sondern auch von Stubentigern.

Zwar lässt sich das tatsächliche Ausmass nur schlecht abschätzen. Aber bei über 400 Katzen pro Quadratkilometer wie in Zürich werden es wohl ein paar Hundert Vögel sein. Pro Quadratkilometer.

Intensive Landwirtschaft vertreibt Vögel
Intensive Landwirtschaft vertreibt Vögel - AFP/Archiv

Wettern die erbosten Windkraftgegner etwa gleichermassen gegen Rebnetze, Standup-Paddler, Hobby-Drohnenflieger, die Landwirtschaft im Allgemeinen und bewässerte Wiesen im Besonderen? Sie alle töten Buntspechte, Haubentaucher, Braunkehlchen oder Feldlerchen. Aber die Antwort wird wohl weniger ein kräftiges «Ja» als ein zartes Zirpen der Grillen sein.

Weniger Ausrufen ist gut für die Vogelwelt

Amsel, Drossel, Fink und Star haben indes nichts davon, wenn die Klimaskeptiker schadenfreudig auf Vogelschäden zeigen. Auch nicht, wenn ich mich über die Aufgeregten aufrege. Aber sie haben etwas davon, wenn einem wieder einmal bewusst wird: Es gibt vielerlei Dinge zu berücksichtigen, an die man spontan vielleicht nicht gedacht hätte.

Vogel des Jahres 2023
Der Sumpfrohrsänger, ein virtuoses Gesangstalent, ist der Vogel des Jahres 2023. - Birdlife.ch / Patrick Donini

Insofern ist einer der unaufgeregteren Kommentare doch sehr schön. Sinngemäss: «Oh, schade, viele dieser Vögel habe ich noch nie in freier Wildbahn gesehen.» Denn darum geht es ja eigentlich, um die Vögel, nicht um die Aufregung.

Es ist imfall keine Schande, wenn man bis gerade eben noch nie von einem Vogel namens Ziegenmelker gehört hatte. Wir sollten ihn mal anschauen gehen. Ganz unaufgeregt und leise. Genauso wie die grösste Gefahr für das Alpenschneehuhn nicht Windräder sind – sondern Touristen.

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