Die USA wollen Tiktok der Kontrolle durch China entreissen. Politiker und Datenschützer sind sich einig: In der Schweiz bestehe keinerlei Handlungsbedarf.
Tiktok Verbot USA ByteDance
In den USA gerät Tiktok zunehmend unter Beschuss: Möglicherweise wird der Mutterkonzern «ByteDance» die Plattform bald verkaufen müssen – dies verlangt das Repräsentantenhaus. (Symbolbild) - AFP / Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Das US-Repräsentantenhaus will, dass Tiktok nicht länger in chinesischer Hand bleibt.
  • Nau.ch hat Politiker und Datenschützer um eine Einschätzung gebeten: Einigkeit herrscht.
  • Wer Tiktok kontrolliere, spiele aus Perspektive des Datenschutzes keine grosse Rolle.
  • Wichtig sei, dass die Plattform neutraler werde und Benutzer besser aufgeklärt würden.
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In den vergangenen Jahren haben westliche Staaten ihre Bestrebungen verstärkt, um den Zugang zur Social-Media-Plattform «Tiktok» zu limitieren. Während viele dieser Bestrebungen nicht von Erfolg gekrönt waren, hat das US-amerikanische Repräsentantenhaus am 13. März 2024 Nägel mit Köpfen gemacht.

Gegenwärtig befindet sich Tiktok mehrheitlich im Besitz des chinesischen Unternehmens «ByteDance». Der Vertrieb einer Smartphone-App dieses Konzerns wäre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht länger erlaubt. Denn bei «ByteDance» handelt es sich – wie bei den allermeisten chinesischen Grosskonzernen – um ein ausgesprochen staatsnahes Unternehmen.

Strategische Partnerschaft mit der chinesischen Regierung

«ByteDance» arbeitet in einer strategischen Partnerschaft mit dem Ministerium für öffentliche Sicherheit der kommunistischen Volksrepublik. Das Unternehmen ist seit einer Änderung des chinesischen Nachrichtendienstgesetzes verpflichtet, den Staat bei der Beschaffung von Informationen zu unterstützen.

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Tiktok-CEO Shou Chew spricht während einer Anhörung vor dem US-amerikanischen Senat. (Archivbild) - keystone

Immer wieder stehen Tiktok und sein Mutterkonzern aufgrund dieser engen Verbindung in der Kritik: In den USA ist regelmässig von «chinesischer Spionagesoftware» die Rede. Auf Geräten von US-Bundesangestellten ist die App deshalb seit 2023 verboten – andere Kritiker gehen gar noch weiter: Sie unterstellen der Plattform eine gezielte Kampagne zur Umerziehung der westlichen Jugend.

Doch wie glaubwürdig sind diese Anschuldigungen? In welchem Ausmass würde sich die Ausgangslage verändern, sollte Tiktok beispielsweise in US-amerikanischen Besitz übergehen? Nau.ch hat zwei Politiker und einen Datenschützer um eine Einschätzung gebeten.

Missbrauchspotenzial ist gross

Für SVP-Nationalrat Franz Grüter steht fest: «Jede Software, die Berechtigungen wie Tiktok verlangt, kann theoretisch als ‹Spionagesoftware› missbraucht werden.» Er könne nicht beurteilen, ob die Plattform tatsächlich Daten an den chinesischen Staat liefere. Letzten Endes liege es in der Verantwortung jedes Einzelnen, die Vertrauenswürdigkeit der App zu beurteilen.

Auch FDP-Nationalrat Marcel Dobler erklärt, dass grosse Social-Media-Plattformen immer Missbrauchspotenzial hätten: «Der grosse Unterschied zwischen Tiktok und anderen Angeboten ist, dass Tiktok ein chinesisches Produkt ist und kein US-amerikanisches.»

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In den USA gerät Tiktok unter Druck – möglicherweise wird der chinesische Mutterkonzern «ByteDance» das Unternehmen bald verkaufen müssen. Wie problematisch ist die Plattform? (Symbolbild)
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Für SVP-Nationalrat Franz Grüter steht fest: «Jede Software, die Berechtigungen wie Tiktok verlangt, kann theoretisch als ‹Spionagesoftware› missbraucht werden.» (Archivbild)
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FDP-Nationalrat Marcel Dobler erklärt, dass Social-Media-Plattformen immer Missbrauchspotenzial hätten: «Der Unterschied hier ist, dass Tiktok ein chinesisches Produkt ist.» (Archivbild)
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Im Bereich von Social-Media-Plattformen sei Aufklärung der richtige Weg, sagt Hernâni Marques: «Es gilt, den Menschen die Chancen und Risiken der Digitalisierung aufzuzeigen.» (Symbolbild)
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Sowohl Grüter als auch Dobler und Marques sind sich einig, dass die Verbotsdiskussion wenigstens aus Schweizer Perspektive unsinnig sei. (Symbolbild)

Diese Social-Media-Plattformen böten einem Unternehmen immer zwei Vorteile: Einerseits handle es sich um einen gigantischen «Datenkraken», auf den zugegriffen werden könne. Andererseits habe die Plattform mit Blick auf die präsentierten Inhalte aber auch reichlich Steuerungsmöglichkeiten, so der Digitech-Gründer.

Eine US-Übernahme von Tiktok würde nicht wahnsinnig viel ändern, erklärt Dobler: «Dann hätten einfach die Amerikaner die Daten.» Hinsichtlich der präsentierten Inhalte zeige sich überdies, dass auch US-amerikanische Anbieter alles andere als neutral seien. «Eigentlich spielt es keine Rolle, wer hier am Drücker ist – entscheidend ist, dass es transparenter und neutraler wird!»

Aufklärung der Bevölkerung entscheidend

Hernâni Marques stimmt ähnliche Töne an – er ist Vorstandsmitglied und Mediensprecher des ethischen Hacker-Vereins «Chaos Computer Club Schweiz» (CCC-CH): «Es ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera», erklärt Marques. Natürlich sei die Schweiz, was die Wertegemeinschaft angehe, näher an den Vereinigten Staaten. Gleichzeitig habe der Fall Edward Snowden gezeigt, dass auch den USA nicht zu trauen sei.

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Menschen demonstrieren in den USA gegen das vom Repräsentantenhaus geplante Tiktok-Verbot. (Symbolbild) - keystone

Im Bereich von Social-Media-Plattformen sei Aufklärung der richtige Weg: «Es gilt, den Menschen die Chancen und Risiken der Digitalisierung klar aufzuzeigen.» Bei der Benutzung von Plattformen wie Tiktok müsse man immer davon ausgehen, dass die Daten eines Tages verwendet werden könnten. «Wenn man zu viele Informationen preisgibt, könnte das zum Problem werden», erklärt Marques.

Unsinnige Verbotsdiskussion

Sowohl Grüter als auch Dobler und Marques sind sich einig, dass die Verbotsdiskussion wenigstens aus Schweizer Perspektive unsinnig sei: «Ein generelles, staatliches Verbot braucht eine rechtliche Grundlage. In der Schweiz sehe ich diese nicht gegeben», erklärt Grüter.

Würden Sie sich ein Tiktok-Verbot wünschen?

Für Marques handle es sich beim aktuellen Diskurs in den USA ohnehin um einen Auswuchs des US-amerikanischen Wirtschaftskrieges gegen China. Dobler wiederum betont, dass er die geopolitischen Überlegungen zwar nachvollziehen könne, aus Schweizer Sicht aber keinerlei Regulierungsbedarf erkenne.

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