Eine Frau wollte den Geiselnehmer von Yverdon 2023 wegen Stalking anzeigen. Doch Stalking ist hierzulande nicht explizit verboten – das soll sich bald ändern.
Stalking Yverdon Parlament Straftatbestand
Der Geiselnehmer von Yverdon VD war polizeibekannt: Eine Frau wollte ihn 2023 wegen Stalking anzeigen. Doch Stalking ist nicht verboten – das will das Parlament nun ändern. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Mann, der in Yverdon VD 13 Personen in Geiselhaft hielt, war polizeibekannter Stalker.
  • Eine Mitarbeiterin eines Asylzentrums wollte ihn deshalb bereits im Sommer 2023 anzeigen.
  • Doch für Stalking existiert kein Straftatbestand: Dies möchte das Parlament nun ändern.
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Vor zwei Wochen hatte ein 32-jähriger Asylbewerber in Yverdon VD dreizehn Personen in einem Regionalzug in Geiselhaft gehalten: Bewaffnet mit Axt, Hammer und Messer forderte der Mann aus dem Iran den Kontakt zu einer Mitarbeiterin eines Asylzentrums.

Wie «RTS» berichtet, handelte es sich beim Täter um einen polizeibekannten Stalker: Die Mitarbeiterin des Asylzentrums hatte vor rund einem halben Jahr versucht, den Mann zur Anzeige zu bringen – ohne Erfolg.

Täter von Frau «regelrecht besessen»

Vor eineinhalb Jahren waren sich die beiden in einer Asylunterkunft im Waadtländer Jura zum ersten Mal begegnet. Zu einer Liebschaft sei es nie gekommen, wie «RTS» betont. Doch der Mann sei von der Mitarbeiterin von diesem Zeitpunkt an «regelrecht besessen» gewesen. Tagelang habe er vor ihrem Arbeitsort verharrt – mehrmals musste die Polizei einschreiten.

Im August will die Frau bei der Kantonspolizei Waadt Anzeige erstatten. Die Polizei will die Anzeige aber nicht aufnehmen: «Es gibt keinen Artikel im Strafgesetzbuch, mit dem eine solche Belästigung geahndet werden könnte», erklärt sie in einer schriftlichen Stellungnahme.

Fall steht sinnbildlich für ein schweizweites Problem

Der geschilderte Fall aus der Romandie verdeutlicht ein schweizweites Problem: Stalking ist hierzulande nicht explizit verboten. Heute feilt die Rechtskommission des Nationalrats deshalb an einem Gesetzesentwurf, der Stalking zum Straftatbestand erklären soll. Anstoss für die Idee lieferte vor einigen Jahren die Grüne Nationalrätin Sibel Arslan.

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Die Geiselnahme in Yverdon verdeutlicht ein schweizweites Problem: Stalking ist hierzulande nicht explizit verboten – deshalb konnte der Täter nicht zur Anzeige gebracht werden. (Symbolbild)
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Gegenwärtig feilt die Rechtskommission des Nationalrats deshalb an einem Gesetzesentwurf, der Stalking zum Straftatbestand erklären soll. (Symbolbild)
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Die aktuelle Gesetzeslage sei lückenhaft, da die einzelnen Handlungen eines Stalkers oft nicht strafbar seien. Häufigkeit, Dauer und Intensität könne Opfer wahnsinnig machen. (Symbolbild)
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Oft würden Stalker ihre Opfer nämlich ‹lediglich› verfolgen oder beobachten: Es sei beispielsweise nicht verboten, sich vor dem Büro einer bestimmten Person herumzutreiben. (Symbolbild)
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Der geplante Straftatbestand würde es ermöglichen, solche straflosen Handlungen zusammengefasst als Stalking zu erfassen. (Symbolbild)

Abgesehen von der SVP haben sich alle Parteien im Parlament grundsätzlich positiv über das Vorhaben geäussert: Dies, obwohl der Bundesrat den neuen Straftatbestand nicht für nötig hält.

SVP und Bundesrat begründen ihre Ablehnung damit, dass der Schutz vor Stalking bereits ausreichend vorhanden sei. In einem solchen Fall könne beispielsweise der Straftatbestand der Nötigung zur Anwendung kommen. Diese Begründung wurde bereits in der Vergangenheit herangezogen, um ähnlich lautende Vorstösse zu versenken.

«Einzelne Handlungen oft nicht strafbar»

Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» erklärt die Zürcher Staatsanwältin Sabine Tobler die Probleme der gegenwärtigen Gesetzeslage: «Die einzelnen Handlungen eines Stalkers sind oft nicht so schlimm und folglich auch nicht strafbar.»

Doch gerade die Häufigkeit, Dauer und Intensität der Belästigung könne die Opfer regelrecht «in den Wahnsinn» treiben. Für die Täter sei das Risiko, bestraft zu werden, extrem gering: «Weil sie dies ganz genau wissen, lachen sich viele Täter ins Fäustchen», bemängelt sie gegenüber der Zeitung.

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Es ist schwierig, Stalking zur Anzeige zu bringen: Die einzelnen Handlungen sind meist nicht strafbar, können für Opfer in ihrer Intensität aber eine grosse Belastung sein. (Symbolbild) - keystone

In vielen Fällen würden Stalker ihre Opfer nämlich ‹lediglich› verfolgen oder beobachten: «Es ist nicht verboten, sich jeden Tag zur Feierabendzeit vor dem Büroeingang einer bestimmten Person herumzutreiben», erklärt die Staatsanwältin. Der geplante Straftatbestand würde es ermöglichen, solche straflosen Handlungen zusammengefasst als Stalking zu erfassen.

Opfer meistens Ex-Partner, Täter meistens männlich

Die meisten Stalker stellten indes verschmähten oder unerwiderten Liebschaften nach – doch nicht immer: Im «Tages-Anzeiger» berichtet Tobler von Fällen, in denen Täterinnen und Täter ihrem Physiotherapeuten, ihrer Nachmieterin oder ihren Vorgesetzten belästigten.

Wurden Sie schon einmal Opfer von Stalking?

Ob die Idee eines Stalking-Artikels im Parlament die nötigen Mehrheiten findet, wird sich zeigen. Möglicherweise könnte der schreckliche Fall wenigstens zum entscheidenden Faktor werden, um einen entsprechenden Straftatbestand aus der Taufe zu heben.

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