Parlament will Prozesse auf Englisch ermöglichen
Wenn alle Parteien einverstanden sind, sollen Prozesse in der Schweiz künftig auch auf Englisch geführt werden. Das will der Ständerat ermöglichen.

Das Wichtigste in Kürze
- Zivilprozesse in der Schweiz sollen bald auch auf Englisch erlaubt sein.
- Das fordert das Parlament bei der Revision der Zivilprozessordnung.
- Vorausgesetzt wird, dass alle beteiligten Parteien damit einverstanden sind.
Die Kantone sollen nach dem Willen des Parlaments die Durchführung von bestimmten Zivilprozessen auf Englisch oder in einer anderen Landessprache gesetzlich erlauben können. Der Ständerat ist bei der Revision der Zivilprozessordnung am Montag auf die Linie des Nationalrats eingeschwenkt.
Mit 24 zu 20 Stimmen bei einer Enthaltung folgte der Ständerat am Montag dem Antrag einer knappen Mehrheit seiner Kommission für Rechtsfragen (RK-S). Weil noch Differenzen bestehen, geht das Geschäft zurück an den Nationalrat. Dabei geht es unter anderem darum, welche Folgen falsche Rechtsmittelbelehrungen haben sollen, und um Fristen.
Die Befürworterinnen und Befürworter der Neuregelung bei den Verfahrenssprachen waren der Ansicht, mehr Flexibilität bei den Sprachen bei Handelsstreitigkeiten in einem internationalen Kontext diene der wirtschaftlichen Attraktivität der Schweiz.
Nur wenn alle Parteien einverstanden
Es gehe lediglich um Fälle, in denen alle Prozessparteien einverstanden seien und die Kantone eine solche Regelung wollten, sagte Philippe Bauer (FDP/NE) namens der Kommission.
Es bestehe ein internationaler Wettbewerb, wer sich als Standort für Prozesse empfehlen könne, gab Daniel Jositsch (SP/ZH) zu bedenken. Kantone wie Zürich oder Genf hätten daher ein erhebliches Interesse an Prozessen in englischer Sprache.
Die gegnerische Seite dagegen sah den Zusammenhalt der Schweiz gefährdet und wollte am ursprünglichen Beschluss der kleinen Kammer festhalten, wonach Prozesse in der jeweiligen Landessprache durchzuführen seien.
Zusätzliche Belastung von Gerichten
Beat Rieder (Mitte/VS) warnte in der Debatte vor einer zusätzlichen Belastung der Gerichte. Sollten einzelne Kantone Verfahren auf Englisch zulassen, würden andere unter Druck geraten, dies ebenfalls zu tun.
Daniel Fässler (Mitte/AI) entgegnete, für die Standortwahl von Unternehmen seien ganz andere Faktoren entscheidend. Die Bestimmung sei unnötig. Isabelle Chassot (Mitte/FR) sagte, die Sprachenfrage und eine mögliche Aufweichung des Territorialitätsprinzips seien vielerorts politisch heikel. Hans Stöckli (SP/BE) gab zu bedenken, dass es sich offene Fragen stellten, falls Urteile weitergezogen würden.

Justizministerin Karin Keller-Sutter widersprach namens des Bundesrats, derartigen Befürchtungen sei bereits Rechnung getragen worden.
Prozesssprache bereits im Mai thematisiert
Bereits während der Sondersession im Mai hatte das Parlament erste Pflöcke bei der Modernisierung der Zivilprozessordnung eingeschlagen: Einer davon betrifft missliebige Medienartikel: Sie können künftig einfacher mit einer superprovisorischen Verfügung verhindert werden als heute. Es reicht künftig neben den anderen Kriterien ein «schwerer Nachteil» als Rechtfertigung für das Anordnen einer vorsorglichen Massnahme. Bislang musste dafür geltend gemacht werde, bei Publikation eines Berichts entstünde ein «besonders schwerer Nachteil».
Ebenfalls bereits im Mai einig wurden sich die Räte, dass Verhandlungen in Zukunft per Videoschalte durchgeführt werden können sollen. Mit der Reform der Zivilprozessordnung sollen nach dem Willen des Bundesrats Private und Unternehmen einen leichteren Zugang zu Gerichten erhalten. Unter anderem soll dafür das Prozesskostenrecht angepasst werden.